Als es mich beruflich in die Schweiz verschlug, war die Entscheidung erst endgültig getroffen, nachdem mir Google Maps direkte Nähe zu den Bergen bestätigte. Dieses Bergmassiv im Appenzeller Land, der Alpstein, wird neben den beeindruckenden Gipfel des Wallis oder Berner Oberlandes gerne übersehen – zu Unrecht wie ich mittlerweile finde. Zwar ist der Alpstein bei den Einheimischen der Region geschätzt, aber mit Touristenmassen muss man abseits des Berggasthauses Äscher eher nicht rechnen. Mit knapp über 2500 Metern erreicht der höchste Gipfel des Alpstein, der Säntis, mit Müh' und Not gerade so Voralpen Niveau und erscheint vergleichsweise unspektakulär. Auch ist die Region recht klein: Wer früh los startet und gut zu Fuß ist, kann vermutlich sogar das ganze Massiv an einem Tag durchwandern. So weit zu den Fakten. Womit ich nicht gerechnet habe ist, wie imposant die Berge anmuten, wenn sie vom Bodensee kommend steil aufragen. Oder wie glasklar sich die umliegenden Bergspitzen im Seealpsee spiegeln. Bis heute habe ich gefühlt jeden Winkel des Alpsteins erkundet und doch komme ich immer wieder. Denn gerade das Kleine, Intime macht diese Berge besonders.
Ein Gefühl der Wildnis und Abgeschiedenheit
Zwar sind durchaus bei schönem Wetter eine Menge Menschen unterwegs. Aber sobald man etwas läuft, oder wie ich auch gern mal früh Morgens, im Frühjahr und Herbst oder bei Regen unterwegs ist, begegnet man keiner Menschenseele. Sogar das Gasthaus Äscher, sonst bevölkert von hunderten Touristen, hatte ich eines Morgens im April ganz für mich alleine. Und so wandert man an einem solchen Tag mit einem Gefühl der Wildnis und Abgeschiedenheit, Adler kreisen über deinem Kopf, Gämsen und Steinböcke blicken erhaben aus dem Fels auf dich herab, Murmeltiere verfolgen wachsam deine Bewegung und aus dem Tal trägt der Wind leise das Läuten der Kuhglocken hinauf.
Vereinzelte Wolkenfetzen treiben über den Grat und in diesem Moment ist es einfach unmöglich, an die alltäglichen Dinge des Lebens dort unten zu denken. Schroff fällt der Fels direkt neben dem Weg um hunderte Meter ab und bietet eine spektakuläre Aussicht auf die im Tal liegenden Seen, über das Rheintal und den Bodensee. Und auch wenn es ein vielgeschriebener Klischee-Satz ist: Man fühlt sich winzig klein und doch riesengroß.
Gegen einen kleinen Obolus für die Seealp kann man direkt am Ufer des Seealpsees sein Zelt aufschlagen. In der Früh wird man dann nicht nur von am Zelt schleckenden Kühen geweckt, sondern kann auch direkt ein Glas ihrer frischen Milch zum Frühstück genießen. Wunderbar würzigen Bergkäse gibt es in den umliegenden Almen.
Von München fährt man in gut drei Stunden dort hin und spart sich den üblichen Strom der wochenendlichen Stadtflüchtlinge in Richtung Salzburg und Tirol.