Das Fahrrad beflügelt schon früh den Entdeckerdrang von Gerhard: Er wächst mit seiner Schwester in Augsburg auf. Die Eltern sind weder Weltreisende noch passionierte Sportler. Die Urlaube verbringt die Familie dort, wo man mit dem Auto hinfahren kann – im Mittelgebirge oder in Österreich. Doch beinahe jeden Tag nach der Schule schwingt sich Gerhard auf sein Rad und erkundet stundenlang den Wald. Sein Aktionsradius wird immer größer, er genießt die Freiheit sich treiben zu lassen und Neues zu entdecken. Aus den Westlichen Wäldern bei Augsburg sollten schon bald die entferntesten Ecken der Welt werden.
„In meinem Leben geht es mehr darum, Augenblicke zu sammeln anstatt irgendwelcher Dinge.”
Aber zuerst entwickelt Gerhard seine fahrtechnischen Fähigkeiten, nutzt die Natur und seine Umgebung als großen Spielplatz. Egal ob Bäume, Treppen, Bänke oder Tischtennisplatten, er springt mit seinem Rad überall drauf oder drüber, balanciert und tänzelt regelrecht mit dem Bike. Er ist talentiert und nimmt bei Trial-Wettkämpfen teil, fährt Shows und verdient etwas Geld damit. Nach der Schule beginnt er eine Lehre als Zweiradmechaniker, jedoch muss er schnell erkennen, dass er viel lieber mit dem Rad unterwegs ist als an ihm zu schrauben. Er zieht die Konsequenz und verdient fortan sein Geld als Mountainbike-Guide und mit Gelegenheitsjobs. Sobald genügend in der Kasse ist, bricht er auf und geht reisen. Es sind die hohen Wände und Berge dieser Welt, die ihn mehr und mehr in den Bann ziehen. So entwickelt sich mit der Zeit neben dem Radfahren seine zweite Leidenschaft, das Klettern und Bergsteigen. Mit der gleichen Begeisterung und Intensität wie früher beim Radfahren ist er fortan in der Vertikalen unterwegs. Er durchsteigt große Wände wie die legendäre, 1.000 Meter hohe Granitwand des El Capitan im Yosemite Valley in den USA und besteigt 7.000er im Himalaya und fährt diese teilweise auch mit dem Snowboard ab. Gerhard ist ein Berg-Allrounder und Abenteurer durch und durch.
„Jeder trägt seine ganz persönliche Landkarte von der Welt in sich.”
Seit einigen Jahren lebt er in einem kleinen Dorf im Bregenzer Wald, von wo aus er noch immer in die entlegensten Ecken dieser Welt aufbricht, wenn nicht gerade eine Pandemie das Reisen erschwert.
Für jemanden wie für Gerhard stellte die Corona Pandemie im Frühjahr 2020 einen massiven Einschnitt dar: Er lebt vom Reisen, weil er spannend Reportagen von seinen Abenteuern zurückbringt, die international publiziert werden und Mountainbike begeisterte Menschen durch die halbe Welt guided. Jetzt wird er von 100 auf Null herunter gebremst. Aus der Not macht er eine Tugend und gewinnt der Zwangspause auch etwas Positives ab. Plötzlich hat er nämlich Zeit, um einmal richtig durchzuatmen und all das Erlebte zu reflektieren. So entsteht allmählich der Gedanke einen Teil seiner Abenteuer aufs Papier zu bringen. Sein langjähriger Freund und fotografischer Begleiter Martin Bissig steuert die atemberaubenden Bilder bei und es entsteht ein bildgewaltiges Coffee Table Book mit zehn spannenden Abenteuergeschichten von den Dolomiten bis zum Karakorum.
Es ist ein persönlicher und äußerst sympathischer Rückblick auf Erlebnisse, besondere Augenblicke, skurrile Begegnungen und Gastfreundschaft. Gerhard erzählt vom Scheitern und schwierigen Momenten, aber auch von seiner großen Neugierde immer wieder Neues zu entdecken, in unbekannte Kulturräume einzutauchen und die Menschen vor Ort kennenzulernen.
„Manchmal habe ich das Gefühl, das Fahrrad ist wie ein Zauberstab, der Sprachbarrieren und Berührungsängste auf magische Weise überwinden hilft.”
Anhand von zehn ausgesuchten Abenteuergeschichten rund um den Globus lässt Gerhard die Lesenden an seinen Erlebnissen teilhaben. Zusammen mit den Bikelegenden Danny MacAskill und Hans Rey besteigt er den Mount Kenya sowie den Kilimandscharo und fährt beide durch beeindruckende, sich stetig verändernde Klimazonen ab. In Osttibet umrundet er auf einem Pilgerweg den bei Buddhisten heiligen Berg Khawa Karpo, während er sich mit dem Bike-Trekking zum Concordiaplatz im Karakorum einen Jugendtraum erfüllt. Am dritthöchsten Vulkan der Erde, dem 6. 739 Meter hohen Llullaillaco in der chilenischen Atacama Wüste, kommt er nicht nur an seine physischen Grenzen, sondern auch an die Grenzen seiner Vorstellungskraft, was die Art des Big Mountain Fahrens seiner chilenischen Freunde angeht. Da klingen die Besteigungen des nordafrikanischen Toubkal in Marokko oder die Befahrung des griechischen Berges Olymps schon fast niedlich an.
Das 240 Seiten starke und 35 Euro teure Coffee Table Buch „Mountainbike Träume“ von Gerhard Czerner und Martin Bissig lädt wie der Titel schon sagt zum Träumen ein und macht Lust selbst wieder eine Reiseprojekt mit oder ohne Bike zu planen und in Angriff zu nehmen. Dabei muss es überhaupt nicht der entlegenste Winkel dieses Planeten sein, wie Gerhard auch mit seiner Dolomitendurchquerung eindrucksvoll schildert. Vielmehr geht es ums Erleben und aus dem Alltagstrott ausbrechen.
„Immer geht es mir dabei um das Erleben. Das Erleben von der Welt und letztlich von mir. Denn in jeder Situation, die mich aus meiner Gewohnheit bringt, in der ich meine Komfortzone verlassen muss, egal ob physisch oder mental, erfahre ich auch etwas über mich. So verändert jede Reise mein Bild von der Welt und oft auch von mir selbst.”