Eine technisch leichte Tour, perfekt für den Einstieg ins Bergsteigen und die Welt jenseits der 4.000 Meter? Klingt toll, ich sage sofort zu, als Freunde mir vorschlagen, eine Hochtour aufs Bishorn in den Walliser Alpen zu gehen. Ein paar Tage später schaue ich mir die Tour genauer an und denke mir: hoppla. Konditionell anspruchsvoll, es warten über 1.500 Höhenmeter Zustieg zur Hütte, weitere 900 bis zum Gipfel und zu guter Letzt alles wieder zurück ins Tal? Schaut so aus als sollte ich mich vorsorglich nach einem Paar neuer Knie umschauen. Aber natürlich will ich auch keinen Rückzieher machen.
Einmal Kuchen mit Bergpanorama in der Cabene de Tracuit
So steht unsere Vierer-Seilschaft, Dario und David aus dem Wallis, Claudia aus dem Kanton Schwyz und ich, also an einem brütend heißen Augusttag mit Hochtourenausrüstung am Parkplatz in Zinal und wir machen uns auf die erste Etappe. Gemütlich geht es in fünf Stunden bis zur Hütte auf der schon ein leckeres Stück selbstgebackener Kuchen wartet. Wohlverdient. Für die Anstrengung der ersten 1.500 Höhenmeter entschädigt die beeindruckende Rundumsicht auf die umliegenden Gipfel der Walliser Alpen, wie Zinalrothorn, Obergabelhorn oder Dent Blanche, aus dem verglasten Speisesaal der Cabane de Tracuit. Als Dessert nach dem Abendessen reißen für einen kurzen Augenblick die Wolken auf und die letzten Sonnenstrahlen bringen die Wände aus Stein und Eis zum Leuchten.
Aufbruch im Morgengrauen und Aufstieg über den Ostgrat zum Bishorn
Nach einer kurzen Nacht klingelt der Wecker um kurz vor fünf. Die Hüttengäste sind schon auf den Beinen und auf den Gängen herrscht geschäftiges Treiben. Rucksäcke werden gepackt, letzte Vorbereitungen getroffen. Nach einem kurzen Frühstück schnüren wir die Schuhe und legen unsere „Gstältli“, also unseren Klettergurt an. Draußen dämmert gerade die blaue Stunde und wir gehen die wenigen Schritte bis zum Turtmanngletscher. Von dort geht es mit Steigeisen und am Seil über einige kleinere Spalten. Diese Zeit des Tages, kurz vor Sonnenaufgang, mag ich besonders. Trotz des regen Verkehrs – wir sind bei Weitem nicht die einzige Seilschaft – strahlen die Berge Ruhe aus, das einzige Geräusch scheint das Knirschen der Steigeisen auf dem Eis. Die ersten Sonnenstrahlen blitzen über den Ostgrat, über den wir, teilweise recht steil, Richtung Bishorn steigen. Kurz unter dem Gipfel wartet die einzige leichte Kletterstelle und dann haben wir es geschafft, wir stehen auf 4.153 Metern.
Ausblick vom Weisshorn bis zum Bietschhorn – und schwere Beine
Die Aussicht ist gewaltig. Direkt vor uns liegt der markante Grat zum Weisshorn, einer der wohl schönsten und markantesten Berge der Alpen. Dahinter liegen Monte Rosa und Dufourspitze, der Dom und im Norden das Bietschhorn. Wir verweilen einen Moment, reichen den Gipfelschnaps in die Runde, knipsen die obligatorischen Gipfelfotos und dann machen wir uns auf den langen, beschwerlichen Weg ins Tal. Einzig das Käserösti mit Ei in der Hütte ist ein kleiner Lichtblick. Ansonsten wäre es sehr optimistisch, 2.500 Höhenmeter Abstieg als angenehm oder gar spaßig zu bezeichnen. Die Ankunft am Auto war folglich fast genauso schön wie der Gipfel. Während ich zwei Tage später diese Zeilen tippe, schmerzen die Beine immer noch. Was länger bleibt als der Muskelkater, sind die unbeschreiblichen Momente, der Sonnenaufgang über den mächtigen Bergen, das morgendliche Gehen über den Gletscher, der Glücksmoment auf dem Gipfel. Das war er, mein erster Viertausender… aber ob es auch der Letzte war? Ich glaube fast nicht.
Drei Outville-Tipps für die erste Hochtour
1. Besucht einen Gletscher- oder Hochtourenkurs, zum Beispiel bei einer Sektion des Deutschen Alpenvereins. Dort lernt ihr die Basics von der Sicherungstechnik, über das Gehen mit Steigeisen bis hin zur Spaltenbergung. Wenn man über den Gletscher geht, ist es beruhigend zu wissen, dass man sich selber befreien kann, sollte man in eine der vielen Spalten fallen.
2. Trinkt viel, richtig viel! Durch die Höhe und die trockene Luft verbraucht man viel Flüssigkeit, von der körperlichen Anstrengung ganz zu schweigen. Viel trinken hilft um Kopfweh und Schwindel vorzubeugen.
3. Geht langsam und gleichmäßig. Gerade in der Höhe ist ein kontinuierliches Tempo angenehmer. So kommt man auch ohne besondere Anstrengung oben an und kann gemütlich den Gipfelschnaps und die Aussicht genießen.
Ausgangspunkt für die Tour ist Zinal (1675m) im Val d’Anniviers. Von dort geht es am ersten Tag kurz durch Wald und dann in zunehmend alpinem, immer recht steilem Gelände rund 1.500 Höhenmeter bis zum Tagesziel, der Cabane de Tracuit (3.256 Meter). Sie thront ehrfürchtig auf einem Felsband, welches die einzige kurze, jedoch recht einfache und versicherte Kletterstelle im Zustieg bietet. Die Hütte wurde erst 2013 neu erbaut und ist dementsprechend komfortabel. Am zweiten Tag geht es in aller Früh über den kurz hinter der Hütte gelegenen Turtmanngletscher zunächst über flaches, etwas spaltiges Gelände unschwierig Richtung Ostflanke, welche vorbei am Ostgipfel, dem Pointe Burnaby zum Gipfelplateau führt. Der insgesamt rund 900 Höhenmeter lange Anstieg auf 4.153 Meter ist technisch einfach und nur kurz unter dem Gipfel gibt es eine kurze Kletterstelle im ersten Schwierigkeitsgrad. Anschließend geht es entlang der Aufstiegsroute die rund 2.500 Höhenmeter zurück ins Tal.
Zimmer in der Cabane de Tracuit müssen dringend reserviert werden. Es steht ein Schlafraum mit 24 Betten, sechs Zimmer mit zwölf Plätzen, sowie fünf Zimmer mit vier Betten zur Verfügung. Die Übernachtung mit Halbpension kostet für Alpenvereinsmitglieder 80 Schweizer Franken, für Nichtmitglieder 95 Schweizer Franken.