Zuerst sind Franzi und Jona 3000 Kilometer durch Neuseeland gewandert. Danach haben sie fünf Monate in Wellington gearbeitet, um Geld für die Weiterreise durch Indien und Nepal zu verdienen. Reisen zu Fuß fanden sie bald langweilig, deswegen sind sie aufs Fahrrad gestiegen und vom Iran bis in die Mongolei gefahren. Nach einem einjährigen Stop in Vancouver um die Reisekasse wieder aufzufüllen, sind sie jetzt wieder auf der Straße und radeln durch Amerika – zick-zack von oben, bis unten.
Warum habt ihr euch dafür entschieden euer altes Leben in Deutschland hinter euch zu lassen?
Jona: Uns war klar, dass wir nicht dem gängigen Arbeit-Karriere-Schema folgen wollen. Wir hatten den Drang die Welt zu bereisen, Neues zu erkunden. Wir empfanden ein starkes Ungleichgewicht in unserer Work-Life-Balance. Arbeit nimmt so schnell viel Raum ein und dominiert das Leben so sehr, dass wenig Platz für persönliches Glück bleibt.
Wie hat sich das angefühlt den Job zu kündigen, alles zu verkaufen und los zu fahren?
Franzi: Für uns gab's kein Wenn und Aber, uns war klar, welches Leben wir leben wollen und dass wir in keinen 9-to-5-Job passen. Wenn wir mit anderen Menschen darüber reden, bewundern sie uns oft und sagen, wir wären mutig und abenteuerlustig. Wir empfinden das nicht so. Ein Haus zu kaufen, eine Familie zu gründen und sich dauerhaft an einen Ort zu binden, finden wir viel mutiger.
Jona: Der Moment des Aufbruchs gab uns ein Gefühl von Freiheit. Aber natürlich war es eine Überwindung, sich von Freunden und Familie auf unbestimmte Zeit zu verabschieden und die Sicherheit eines geregelten Lebens aufzugeben. Aber wir wussten, sollte es nicht klappen oder sollte die Reise uns nicht das geben, was wir erhoffen, könnten wir jederzeit in unser altes Leben zurück. Die Gewohnheit holt einen sowieso schnell wieder ein, wenn man sich niederlässt und einen Alltag aufbaut – das haben wir immer gemerkt, wenn wir zum Arbeiten länger an einem Ort geblieben sind. Wir verspüren dann sehr schnell den Drang, dass es weitergehen muss. Wir sind uns dabei sehr wohl bewusst in was fuer einer privilegierten Situation wir sind, dass wir uns für so ein Leben entscheiden können. Viele Menschen, die wir in verschiedenen Ländern trafen, können sich das gar nicht vorstellen, sie haben diese Möglichkeiten nicht und wünschen sich nichts mehr als unser altes Leben in Deutschland.
Am Anfang wart ihr zu Fuß unterwegs und jetzt mit dem Fahrrad. Wie kam es zu diesem Wechsel?
Nach Neuseeland waren wir mit dem Rucksack in Nepal und Indien unterwegs. Indien ist das „anderste“ Land, das wir bisher bereist haben und erfordert viel Gelassenheit und Belastbarkeit. Es ist verdammt anstrengend und ermüdend dort mit dem Rucksack und öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen und man muss sich alles hart erkämpfen. Damals trafen wir Reisende, die mit dem Rad unterwegs waren. Ihre Geschichten haben uns dazu inspiriert, es selbst auszuprobieren. Also tauschten wir unsere Rucksäcke gegen Räder und machten uns auf in den Iran.
Wie fühlt sich das jetzt an mit dem Fahrrad unterwegs zu sein? Ihr radelt ja von Alaska bis an die Südspitze Südamerikas.
Mit dem Wechsel zum Fahrrad haben wir unsere Art zu Reisen gefunden. Die Möglichkeit sich selbstbestimmt aus eigener Kraft zu bewegen, dabei komfortabel ein paar Dinge mehr und besseres Essen dabei haben zu können und wo immer man möchte zu campen, ist für uns unschlagbar. Es ist auch die sparsamere Variante, da die Kosten für Unterkünfte auf ein Minimum schrumpfen und man unabhängig von Leuten aus der Tourismusbranche ist.
Was sind die größte Herausforderung auf so einem Trip?
Franzi: Die größte Herausforderung auf so einer langen Reise ist, nicht zu vergessen wo man ist und die Schönheit um sich herum als etwas Besonderes wahrzunehmen. In den letzten vier Jahren sind wir viel rumgekommen, haben viel gesehen und manchmal erwischen wir uns selbst dabei, Dinge nicht mehr bewusst wahrzunehmen. Man muss sich einfach aktiv bewusst machen, dass man zum Beispiel gerade auf einem Vulkan mitten in Guatemala steht.
Jona: Da ist es ganz gut, dass wir zu zweit sind, wir uns gegenseitig darauf aufmerksam machen. Am stärksten merken wir es, wenn wir gerade mal nicht unterwegs sind und eine Pause machen. Dann denken wir uns oft: Wir sind zwar im Hotel und haben alles was man so braucht, aber nicht das was wir wollen.
Wie spontan seid ihr auf eurer Reise?
Jona: Wir krallen uns nicht krampfhaft an eine Idee. Das heißt, wenn uns etwas nicht gefällt, ändern wir es. Wir haben inzwischen einige Pläne verworfen. Zuerst der Wechsel vom Rucksack zum Fahrrad. Nachdem wir dann das Fahrrad als perfekten Reisepartner entdeckt hatten, investierten wir in bessere Touring-Ausrüstung. Danach wollten wir in den USA und Kanada weg von den stark befahrenen Highways und wechselten zu einem leichteren, mehr geländetauglichen Bike-Packing-Setup. Als wir dann ohne Spanischkenntnisse in Mexiko ankamen, entschieden wir uns für einen Intensivspanischkurs einen Monat Pause zu machen. Und erst vor Kurzem haben wir die wohl schwerste Entscheidung getroffen und einen Flug von Guatemala nach Ecuador gebucht, statt komplett mit dem Fahrrad bis in die Anden durchzufahren. Franzi hat Flugangst, wir lehnen Fliegen aus Umweltgründen ab, aber wir haben auch ein bisschen Angst, beim Drüberfliegen etwas zu verpassen. Auf dem Weg nach Guatemala haben wir jedoch realisert, dass unsere bevorzugte Form zu Reisen dort sehr schwierig wurde. Uns ist es sehr wichtig, möglichst immer zu campen, das ging dort einfach nicht sicher und aufgrund der Bevoelkerungsdichte vermissten wir die Weite der Natur. Wir glauben, dass die Anden unser Bikepacking-Paradis sind. Hochgebirge, Weite, unberuehrte Natur und endlose Moeglichkeiten schoene Routen zu fahren.
Was sind die größten Bereicherungen bei so einer Reise?
Franzi: Ich schätze vor allem die Natur, von der wir umgeben sind. Manchmal wenn mein Blick über die Berge, Wälder oder unberührte Strände streift, frage ich mich wie lange diese Schönheit noch existieren wird. Umweltverschmutzung und Erderwärmung bedrohen all dies – um so wichtiger fühlt es sich für mich an, jetzt da draußen zu sein. Und wir lieben die Einfachheit des Lebens auf einer Radreise. Wenn man einmal in diesem Rhythmus 'Fahren – Essen – Campen' angekommen ist, machen wir automatisch jeden Tag genau was uns glücklich macht.
Jona: Und trotzdem kommt dabei kein Alltagsgefühl auf – eher das Gefühl, jeden Tag einen schönen Ausflug zu machen. Wenn man sich am Abend überlegt: Wo sind wir heute morgen los gefahren, was ist heute passiert, dann hast du jeden Tag eine andere Geschichte. Das ist spannender als ein Alltag, weil man sich ein echtes Bild von der Welt und unterschiedlichen Kulturen machen kann. Im Gegensatz zum Auto ist man immer sehr nah an den Menschen und der Natur. Man kann dem auch nicht einfach entfliehen, sondern muss sich mit allem auseinander setzen. Das ist nicht immer angenehm und bringt einen auch oft an die Grenze der persönlichen Komfortzone. Wenn es beispielsweise tagelang regnet und stürmt, muss man einfach damit klar kommen. Das gilt auch für Kulturen und Menschen in anderen Ländern – auch im positiven Sinn. In den Medien wird immer ein sehr einseitiges, beängstigendes Bild vom Iran gezeichnet, doch die Menschen, die dort leben sind mitunter die gastfreundlichsten und warmherzigsten, die wir auf der gesamten Reise getroffen haben.
Gibt es ein besonderes Erlebnis, einen Moment oder eine Begegnung, der euch hängen geblieben ist?
Franzi: Es ist eher die Vielzahl der Begegnungen, die bei uns hängen geblieben sind. Auf unserer Reise haben wir egal wo eine unglaubliche Gastfreundschaft erfahren dürfen. Egal ob wir Wasser oder einen Platz zum Schlafen gebraucht haben, die Menschen haben nie davor zurück geschreckt zwei völlig Unbekannten ihre Hilfe anzubieten. Wir haben Leute getroffen, die gerade genug hatten um selber satt zu werden, trotzdem haben sie mit uns geteilt. Solche Begegnungen berühren einen und machen nachdenklich.
Jona: Wir sind oft dreckig und haben tagelang nicht geduscht, aber die Leute laden uns ein und öffnen ihr Haus. Es klingt zwar abgelutscht, aber ich bin immer wieder erstaunt wie fröhlich und glücklich Menschen sind, die finanziell und materiell nicht viel haben. Da kann man sich schon einiges abschauen.
Wie geht es euch als Paar mit dieser Art von Leben? Hattet ihr schon mal eine Krise, sodass ihr dachtet ihr „radelt“ jetzt getrennte Wege?
Franzi: Klar, streiten gehört dazu. Besonders in stressigen Situation, wenn man schnell reagieren muss und dann geteilter Meinung ist, kann es schon mal richtig krachen.
Jona: Man lernt dabei nahezu alles über den Partner. Man kann nicht einfach auf Abstand gehen, wenn man zusammen im Zelt liegt und es draußen stürmt. Aber wir ergänzen uns gut: Franzi ist die Kommunikativere und dokumentiert unsere Reise, waehrend ich mich mehr um die Raeder und die Technik kuemmere.
Sind Bike-Packer und Fahrradreisende ein besonderer Schlag Mensch?
Jona: Es gibt total unterschiedliche Menschen, die mit dem Rad unterwegs sind. Schon alleine vom Alter her: Die ersten, die wir getroffen haben, waren schon über 60. Insgesamt kann man sagen, es ist eher ein buntgemischter Haufen, mit ebenso unterschiedlichen Motivationen für ihre Reise. Die einen leben von zwei Dollar am Tag, die Anderen schlafen lieber in Hotels usw. Eines verbindet uns aber alle, die Liebe zum Rad und die Herausforderungen die so eine Reise mit sich bringt
Habt ihr Tipps für Leute, die etwas ähnliches planen wie ihr?
Jona: Man muss das Leben draußen mögen, damit leben können, keine Dusche zu haben, durch Wind und Wetter zu fahren – man muss das am besten sogar beglückend finden. Man sollte es erstmal im kleinen Rahmen auf einer kleinen Strecke ausprobieren, bevor man sich überlegt mit dem Rad um die Welt zu fahren. Sich vielleicht auch nicht gleich die komplette Bike-Packing-Ausrüstung bestellen, sondern erst einmal mit Sachen, die man eh schon hat improvisieren und erst später zu optimieren. So haben wir auch angefangen – uns zum Beispiel erstmal einfache Taschen in Indien nähen lassen, einen ganz einfachen Topf gekauft – das ging auch!
Mehr Infos: www.tales-on-tyres.com