Garda ohne See: Der andere Lago-Urlaub

Wo fährt der outdoor-begeisterte Oberbayer hin, um den Sommer zu verlängern? Klar, an den Lago. Wie es  auch bei Gardaseeurlaub Nummer 3.548 nicht langweilig wird? Mit Outville – und unseren Tipps zum Wandern, Biken, Essen und Übernachten!  

Wenn sich’s von Nago hinunter bis zum Kreisverkehr in Torbole staut. Wenn in der Windsbar kein einziger Platz mehr frei ist und ALLE, wirklich ALLE deutsch sprechen. Wenn die Schlange an der Eisdiele bis nach Arco geht oder man auf dem Coast Trail erst die Kollegin und dann den Nachbarn trifft. Dann spätestens ist der Moment gekommen an dem man sich denkt: „Echt jetzt? Muss das?“ Oder theatralischer: „Lago, I love you, but I have to leave.“ Oder find ich hier am Gardasee doch noch Ecken, die genauso schön sind, aber unbekannter, Einsamer. Die erste gute Nachricht: Ja, diese Ecken gibts. Und die zweite gute Nachricht: Man muss gar nicht so weit weg vom Lago, nur ein bisschen ins Hinterland. Seeblick hat man dann zwar nicht immer, aber am Abend kann man wieder ein Bad nehmen.

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Monte Stivo

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Mit dem Auto oder auch Bike schraubt man sich in unzähligen Kehren von Bolognano oder über das Val di Gresta und Ronzo-Chienis hoch zur kleinen Siedlung Santa Barbara, weitab vom Gewusel des Gardasees. Start ist am Parkplatz bei der kleinen Holzhütten-Bar S. Antonio. Mountainbiker kennen den Platz, denn hier starten auch einige Trails. Zum Beispiel der mittlerweile leider illegale Anaconda Trail, der sich schlangenartig ins Tal windet oder der früher mal flowige, heute typisch Gardasee verblockte Naranch-Trail. Von hier aus sieht der 2.059 Meter hohe Monte Stivo aus wie ein flacher, unspektakulärer Mugl. Das erste Stück läuft man auf einer kleinen Teerstraße, vorbei an terrassierten Feldern, mit Blick auf den Monte Creino im Süden und das vergletscherte Presanella und Adamello Massiv im Westen. Aus dem geteerten Feldweg wird bald ein holpriger Karrenweg, der sich zunehmend steiler in ein paar Serpentinen durch den Wald nach oben zieht, bis man bei „La Prese“, auf knapp 1.500 Metern ein freies Wiesengelände erreicht. Jetzt kann man auch schon das Rifugio P. Marchetti als kleinen schwarzen Punkt knapp unterhalb des Gipfels ausmachen. Wie ein Adlernest thront es dort oben. Von hier führen zwei Routen zur Hütte und auf den Gipfel. Die erste folgt dem rot/weiß markierten Karrenweg Nr. 608 bis zur Malga Stivo (1.748 Meter) und von dort auf einem Bergpfad weiter hinauf zur Hütte und dem Gipfel. Die zweite Route ist quasi die Direttissima. Von La Prese ausgesehen folgt man gerade aus der süd-östlichen Bergflanke des Monte Stivo und steigt diese auf einem kleinen Pfad steil nach oben. Belohnt wird man für den steilen Anstieg mit einem beeindruckenden Ausblick auf das Monte Baldo Massiv, den Gardasee, die Berge des Ledrosee Tals, die Brenta Dolomiten und einem Tiefblick hinunter bis nach Rovereto im Etschtal. Beide Wege treffen sich schließlich auf der grandiosen Aussichtsterrasse des neu renovierten Rifugio Stivo P. Marchetti, das von einem jungen Team bewirtschaftet wird und absolut einkehrwürdig ist. Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung bis zum Gipfelkreuz auf 2.059 Meter. Die Aussicht von hier oben zählt mit zu den besten am ganzen Gardasee. Bei klarer Sicht sieht man nicht nur bis zum südlichen Gardasee Ende, sondern auch bis zu den Ortler Alpen im Nordwesten und den Dolomiten im Nordosten. Einfach Grande!

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Monte Misone

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Vom Parkplatz aus hoch über dem Tennotal folgt man für kurze Zeit dem Weg 410 bevor man links Richtung Monte Stivo und den rot markierten Weg 412 abbiegt. Diesem folgt man teils steil und geröllig bergauf bis zum Sattel Seletta Castol auf 1.350 Meter. Immer wieder spitzelt im Hintergrund der tief unter einem liegende Gardasee zwischen dem teils dichten Buschwerk hervor. Der Pfad wird nun flacher und quert leicht ansteigend die Westflanke des Monte Misone, mal über lichtes Wiesengelände mal durch verwunschen Lärchenwald. Von einer kleinen Anhöhe aus sieht man bereits die nahen Brenta Gipfel sowie das Adamello-Presanella Massiv mit seinem vergletscherten Gipfelbereich. Nach einer kurzen Bergabpassage erreicht man auf 1.575 Meter die im Sommer bewirtschaftete Malga Misone. Von hier aus zieht ein Steig über die steilen Wiesenhänge hinauf auf das karge, weitläufige Gipfelplateau des Monte Misone. Das 360 Grad Panorama, das einen dort oben empfängt ist grandios. Nach dem Abstieg sollte man sich unbedingt auf der Aussichtsterrasse des Rif. San Pietro mit den selbst gemachten Leckereien der Hüttenwirte belohnen, die ihre Lebensmittel vorwiegend von lokalen Produzenten beziehen. Dafür lohnen sich die zusätzlichen zehn Minuten Fußmarsch vom Parkplatz aus.

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Via ferrata dei Colodri

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Die Via ferrata dei Colodri ist ein bestens gesicherter, kurzer Klettersteig, der auch für Kinder und Einsteiger geeignet ist, vorausgesetzt sie sind trittsicher und schwindelfrei. Gegenüber dem Campingplatz Arco folgt man der Beschilderung zur Via ferrata dei Colodri (Weg 431B). Entlang des Trimm-Dich-Pfades steigt man zwischen riesigen Felsblöcken hinauf zum Wandfuß und zum dort befindlichen Einstieg des Klettersteigs. Los geht es mit einer steilen Stufe (A/B). Im weiteren Verlauf wechseln sich kurze, schön zu kletternde Abschnitte mit Geh-Passagen ab, wobei alle exponierten Stellen bestens mit Drahtseilen gesichert sind (Schwierigkeit A oder A/B). Im zweiten Teil folgen einige Platten, die mit Hilfe von Eisenklammern und Eisenstiften überwunden werden (A/B – B). Den Ausstieg erreicht man über eine letzte senkrechte Stufe, die mit Eisenstufen (B/C) versehen ist. Oben erwartet einen ein flaches Karstplateau samt großartigem Blick über Arco und den Gardasee. Von hier aus sind es noch knapp 10 Minuten bis zum Gipfelkreuz des Monte Colodri (400 Meter). Für den Abstieg folgt man der Beschilderung Richtung „S. Maria di Laghel. Der Weg 431 schlängelt sich durch die bewaldete Westflanke des Colodri, vorbei an einem kleinen Kletterfelsen mit Brotzeitplatz hinunter zur Kirche in Laghel. Hier hält man sich nach links und marschiert über die Via del Calvario durch Olivenhaine zurück nach Arco.

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Bocca de l’Ussol mit Cima Gavardina

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Mit dem Auto oder Radl fährt man vom Ledro See kommend über die Ortschaften Locca, Enguiso und Lenzumo durch das Valle di Concei bis zum Rifugio al Faggio. Dort startet die Wanderung durch die einsame Bergwelt der steilen Ledrosee Berge. Zu viel Trubel muss man hier nicht fürchten, ganz im Gegenteil. Hier hinten ist man im Herbst meist allein unterwegs. Die erste Hälfte legt man auf einem Karrenweg (Markierung 414) zurück, der entlang eines Baches verläuft und bei der Malga Gui (1.444 Meter) in einen Bergpfad übergeht, der sich an steilen Bergflanken entlang bis hinauf zur Bocca de l’Ussol schlängelt. Oben am Pass angekommen, eröffnet sich ein beindruckender Blick hinüber zur Adamello Gruppe. Wer noch einen Gipfel mitnehmen möchte, kann in rund 20 Minuten vom Pass aus auf die Cima Gavardina steigen. Der Abstieg erfolgt auf dem gleichen Weg bis zum Sella de Lomar. Dort folgt man für ein kurzes Stück dem Weg 452 bis links der Weg 414 B ins Valle Lomar abzweigt, der etwas oberhalb des Rifugios wieder auf den Weg 414 trifft, auf dem man ein paar Minuten später wieder den Ausgangspunkt der Tour erreicht.

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Mountainbiken: Mal was anderes als Skull und 601

Der Gardasee ist Lieblingsspielplatz vieler Mountainbiker – warum, weiß angesichts der dort vorhandenen Trails keiner so genau. Trails.de-Macher Ralf Glaser schreibt sogar, die Trails am Gardasee wären „eher ein Mittel zur Entwöhnung“. Wenn unter Mountainbikern der Satz „typisch Gardasee“ Fällt, weiß jeder was gemeint ist: steinig, grobschottrig und verblockt.

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Doch der Lago hat nicht nur die altbekannten Killer-Klassiker zu bieten, sondern auch Trails, die ganz untypisch für ihn sind und trotzdem anspruchsvoll bleiben. Zum Beispiel am Monte Zugna oberhalb von Rovereto mit Waldbodenflow, wie man ihn am Gardasee niemals erwarten würde. Entstanden sind die Wege am Zugna in den Kämpfen des Ersten Weltkriegs, als die heutige Friedensstadt Rovereto zur Frontstadt wurde. Einige Höhenmeter weiter oben am Zugna geht es noch sehr viel weiter zurück in der Geschichte: In den Steinplatten, die eiszeitliche Gletscher formten, haben Dinosaurier ihre Spuren hinterlassen. Wenn es trocken ist, sind sie ein perfektes Testgelände für den Grip der Reifen.

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Auch die Trails um das kleine Örtchen Terlago geben sich Gardaseeuntypisch. Obwohl hier schon zwei Enduro-Wettkämpfe stattfanden trifft man selten Mountainbiker auf der hügeligen Hochebene oberhalb von Trento. An der Qualität der Trails kann das nicht liegen, denn wer den Enduro-Style mag wird hier definitiv nicht enttäuscht. „Massacro“ oder „Vertigini“, zu deutsch: Höhenangst, bieten alles von Flow bis zu technischem Anspruch. Und Terlago kann außerdem einen netten, kleinen Lago sein Eigenen nennen – wer braucht da noch den großen Bruder weiter südlich?

Insgesamt 38 unbekannte Trailperlen in der Gardasee-Ecke findet ihr in „Trentino Trails!“ von Ralf Glaser für 29,80 Euro. Er war für den Guide auch in Comano Terme, Paganella und Trento unterwegs. Viele der Trails wurden noch in keinem Bike-Guide beschrieben, so dass selbst eingefleischte Lago-Fans noch Unbekanntes finden sollten.

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… und dann muss man noch Essen und Übernachten

Während dem Lago die sportliche Tauglichkeit keiner absprechen würde, mussten Freunde ausgefallener Hotels und stilvoller Pensionen mitunter lange suchen, bis sie in Torbole oder Riva fündig wurden. Doch gerade in Arco hat sich in den letzten Jahren viel getan: Neben den beiden Campingplätzen Camping Arco und Camping Zoo gibt es eine Vielzahl an netten Unterkünften, vom Guesthouse mit seinen liebevoll gestalteten, individuellen Appartements in drei historischen Gebäuden sowie dem im Sommer 2022 neueröffneten Palmhouse über das modern gestaltete Hotel Garni On The Rock bis hin zum Agriturismo Vivere Suites & Rooms, das inmitten von Weinstöcken liegt und vielmehr ein kleines, aber feines Designhotel mit nur sechs Suiten, von denen jede über eine eigene Terrasse mit kleinem Gartenanteil verfügt.

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Die Familie Pederzolli, die das Vivere betreibt, macht auch leckere Pizza in der Pizzeria Centrale in Chiarano. Bei Pio im Ai Conti, direkt gegenüber der Kirche in Arco gibt es nicht nur leckeren Kaffee und Spritz, sondern auch feine Sandwiches und das legendäre Climber Breakfast, das für zwei reicht. Sehr feine glutenfreie Pizzen bekommt man in der Pizzeria da Marosi in Bolognano serviert. In Sachen Eis ist die Gelateria Tarifa von Marco gegenüber vom Gobbi Sport in der Fußgängerzone die beste Adresse. Vor allem das Pistazieneis ist empfehlenswert. Einen Ausflug wert ist auch immer das Agritur Calvola im gleichnamigen Bergdorf oberhalb von Tenno. Hier wird eine ehrliche und dazu äußerst leckere Trentiner Hausmannskost serviert, bei gutem Wetter auf der Terrasse mit Blick auf den Gardasee. Und noch ein Mitbringsel Tipp: Das Bio-Olivenöl, das sie dort aus den eigens angebauten Oliven pressen, ist hervorragend. Ebenso empfehlenswert: das Öl von Ivo Bertamini. Mit seiner kleinen Ölmühle in Bolognano presst er nur Oliven aus der Region.

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Christian ist im Allgäu aufgewachsen und lebt mittlerweile mit seiner Familie am Staffelseee. Er liebt Campen und Kochen auf dem Einflammen-Outdoor-Herd. Wenn er nicht mit seinen zwei Jungs über Trails jagt, in den Monti Sibillini auf Trüffelsuche geht und Unternehmen in Sachen Brand Strategy berät, sitzt er entweder auf seinem Gravelbike, gleitet auf Pommesski über Skatingloipen oder zieht mit breiten Tourenski los. Bevorzugt vor der Haustüre, im Karwendel, in den Dolomiten und am Gardasee. Immer dabei eine gute Brotzeit und ein Wechselshirt.

Katharina 'Kaddi' Kestler

Journalistin mit fränkischen Wurzeln und Wahlheimat München - liebt die Abwärtsbewegung, egal ob auf Ski oder mit Rädern.

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