Beim Outdoor-Abenteuer geht es nicht mehr nur um Leistung und Rekorde. Wichtiger ist es, sich von der schnelllebigen Welt abzukoppeln, die hohe Taktung abschalten und zurück zu sich selbst finden. Dafür muss es nicht immer gleich der Viertausender sein, der Hausberg am Stadtrand reicht, um all dem Lärm und Stress zu entfliehen. Das Equipment für das Micro-Abenteuer soll nicht nur teuer und funktional sein, sondern im Idealfall auch nachhaltig und darf auch gerne cool aussehen. So geht Outdoor heute. Der Brite Jeffrey Bowman ist sowas wie der Prophet dieses modernen Outdoorbegriffs: Mit seinen Büchern „The Outsiders“ und „The Great Wide Open“ hat er ihn definiert und ihm einen Look gegeben.
Vom Profi-Skateboarder zum Outdoorpropheten
Jeffrey wächst im beschaulichen Burrow in Furness im Englischen Lake District, nicht unweit seines heutigen Wohnortes Keswick auf. Als Jugendlicher will er Profi-Skater werden und reist deswegen viel herum. Diese Zeit prägt ihn: neue Menschen und Orte zu entdecken und festzustellen, dass man die eigenen Grenzen überwinden kann. Jeffrey filmt sich und seine Kumpels beim Skaten, schneidet die Videos und designt Visuals dafür. So kommt er in Kontakt mit der kreativen Szene. Nach einigen Umwegen entscheidet er sich für ein Grafikdesign Studium, arbeitet als Grafiker und lehrt später an einem privaten College. Durch diesen Job lernt Jeffrey Menschen, die nach oftmals völlig anderen Karrieren, zum Beispiel als Pilot oder Polizist, beschließen, ihrer Leidenschaft zu folgen und in die Kreativbranche zu wechseln. Der Mut dieser Menschen für einen Neuanfang bewegt ihn schließlich dazu, weg von der Lehre, hin zur selbstständigen Tätigkeit als Illustrator und Kreativer zu gehen, die Stadt zu verlassen und in das kleine norwegische Dorf Hemsedal zu ziehen.
„The Outsiders” und „The Great Wide Open”
Inspiriert von der ihn umgebenden Natur entwickelt Jeff dort das Konzept für sein Buch „The Outsiders“, eine Hommage an die kreative Szene der Outdoorbranche. Mittlerweile ist der nicht minder erfolgreiche Nachfolger „The Great Wide Open“ über Landschaftsfotografie erschienen. Mit seinen Werken will er die Menschen ermuntern, die Natur zu entdecken und dadurch eine besondere Beziehung zu ihr zu entwickeln. So glaubt er, kann er Menschen für die großen Nachhaltigkeitsherausforderungen unserer Zeit sensibilisieren und dazu motivieren, von bloßen Konsumenten zu Menschen zu werden, die aktiv etwas bewegen wollen. Ähnlich wie er früher als Skateboarder den urbanen Raum erkundete, ihn interpretierte und sich kreativ in ihm bewegte, ist nun die Natur seine Muse. Mittlerweile ist er zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und arbeitet für den im Lake District angesiedelten Rucksack und Taschenhersteller Millican. Als Creative Director ist er verantwortlich für die visuelle Kommunikation des Unternehmens. Die Produkte von Millican bestechen durch Langlebigkeit, Nachhaltigkeit und ein geradliniges, durchdachtes Design. Die Firmenzentrale ist direkt am Fuße der Berge angesiedelt. So hat Jeffrey einen Weg gefunden, seine Leidenschaft für das Kreative, die Natur und seine persönlichen Werte unter einen Hut zu bringen. Outville sprach mit Jeffrey über Kreativität, die positiven und negativen Seiten von Social Media und über Fast Fashion.
Outville: Instagram ist überfüllt mit Outdoor-Lifestyle Bildern. Wie verändert Social Media unsere Outdoor-Erfahrung?
Das Thema Outdoor ist einer neuen Generation zugänglich geworden, einer Generation, die sich danach sehnt, dem Alltag zu entkommen, zu sich selbst zu finden und eine neue Beziehung zur Natur zu entwickeln. Ich denke, die Art, wie sie die Natur dabei erleben und welchen Aktivitäten sie nachgehen, hat sich nicht verändert. Verändert hat sich aber die Art, wie sie ihre Erlebnisse teilen und dokumentieren. So hat sich eine Art Kult um das Naturerlebnis entwickelt. Leider wurde das Erlebnis auch zu einer Ikone von Menschen, die es zur Selbstdarstellung missbrauchen. Sie erschaffen das Bild von scheinbar unabhängigen, abenteuerlustigen Menschen. Dabei fahren sie nur mit dem Auto durch die Gegend und machen Fotos von immer gleichen Orten. Wie ein ständiges, selbstverstärkendes Echo.
Inwieweit hast du mit deinen Büchern, die ja auch die schönsten Orte der Welt feiern, diesen Trend mitbegründet?
Jeffrey Bowman: Das Ziel meiner Bücher war immer, die Menschen durch das Erleben der Natur, durch das Vehikel der Kreativität, für Probleme wie den Klimawandel zu sensibilisieren. Aber wie bei allen Dingen, die sich durch Erfolg zum Trend entwickeln, werden auch Menschen davon angezogen, die aus falscher Motivation auf dieser Welle mitschwimmen wollen. Sie missinterpretieren und missbrauchen das eigentliche Ziel des Ganzen. Als ich mit meiner Recherche für „The Outsiders“ begann, fand ich auf Instagram eine Menge an inspirierenden Persönlichkeiten. Damals war die Plattform noch nicht das, was sie heute ist. Es gab noch keine Influencer, Menschen, die ihr Geld damit verdienen, nichtssagende Bilder zu machen. Als Gesellschaft sind wir nun noch fasziniert, das Leben Anderer zu verfolgen und als Individuen tendieren wir dazu, wirklich alles was wir machen, zu dokumentieren. Dabei entsteht ein ständiges Hintergrundrauschen, an das wir uns gewöhnt haben. Wir sind desensibilisiert und so beschäftigt mit uns selbst, dass wir durch unseren Feed gehen und Bilder liken, die uns gefallen, uns ein gutes Gefühl geben, auch wenn wir das Motiv schon oft gesehen haben. Wir interessieren uns nicht für das Abenteuer, den Kontext oder die Geschichte dahinter.
Wie schafft man es in solchen Zeiten, noch kreativ zu sein und eigene Akzente zu setzen?
Unser Leben ist meist einfach nicht immer so außergewöhnlich, wie wir es in den sozialen Medien inszenieren. Unser normalen Alltag ist doch eher langweilig. Aber wie kann man dies kommunizieren? Sich dabei abzuheben ist nicht leicht. Was erfolgreich ist, kann ohne große Mühen imitiert werden. Als Illustrator habe ich das selber erlebt. Mein Stil kam gut an, ich wurde kopiert und habe dadurch Aufträge verloren. Als Marke haben wir gemerkt, dass wir viel erfolgreicher und authentischer sind, wenn wir die Geschichten von echten Menschen erzählen und deren Erlebnis an erste Stelle setzen. Wir müssen erkennen, dass die Geschichten, die wir erzählen, die Botschaften, die wir vermitteln unsere größte Stärke sind. Wenn wir damit erfolgreich sind, werde Menschen, die nur auf den nächsten Like oder Kommentar aus sind, versuchen uns zu kopieren. Die einzige Möglichkeit ist, sich selbst treu zu bleiben. Instagram Stories finde ich super. Dort findet man oft mehr über das echte Leben der Menschen, sie sind weniger inszeniert und nicht so perfekt. Social Media verbindet uns, die neuen Medien schaffen eine Community, welche das Naturerlebnis as Gegenpol zu Kapitalismus und zur Konsumgesellschaft betrachtet. Die Natur kann uns inspirieren unsere Probleme zu lösen.
Woher nimmst du Tag für Tag deine Inspiration?
Ich habe kein Kreativitätsritual, vielmehr kommen die neuen Ideen aus einer natürlichen Neugier für meine Umgebung und aus meinen Leidenschaften. Dabei spielt die Natur eine besondere Rolle. Sie umgibt mich 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche – und beeinflusst mich natürlich auch unterbewusst. Hier verbringe ich meine Freizeit, auch bei der Arbeit habe ich einen atemberaubenden Blick auf die umgebenden Berge. Dabei sind es die unerwarteten Momente, die mein perfektes Outdoor Abenteuer ausmachen. Zum Beispiel um eine Ecke zu biegen und Auge in Auge mit einem wilden Tier zu stehen, neue Blickwinkel und Perspektiven zu entdecken. Die Momente allein, die Momente mit guten Freunden. Einfach eine Karte schnappen, einen Treffpunkt ausmachen und sich mit allem, was man braucht im Rucksack, sorglos auf den Weg zu machen. Unser Leben ist bestimmt von einer aufgezwungenen Urbanisierung: Social Media, E-Mails, Plastikflaschen, Fast Fashion, Umweltverschmutzung, Lärm und Stau. In der Natur können wir davon Abstand gewinnen und zu uns selbst zurückfinden. Das ist sehr individuell: Für die einen funktioniert das Besten am Lagerfeuer oder wenn sie eine Nacht im Zelt schlafen, andere brauchen dafür eine zweiwöchige Expedition nach Alaska.
Wie versuchst du deine Ziele für Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei Millican zu verwirklichen?
Meine Vision ist, eine Marke weiter zu entwickeln die Gutes tut, eine Marke, die einen positiven Einfluss auf die Menschen und unseren Planeten hat. Wir achten sehr auf Langlebigkeit. Wir wollen Produkte herstellen, die ein Leben lang halten, die man reparieren kann oder weiter gibt. Wir wollen damit einen Gegenpol setzen zum Phänomen der Fast Fashion. Die Industrie steht vor der Verantwortung, sich von alten Denkmustern zu lösen.Jeder denkt, man braucht für jede Saison und für jede Jahres eine neue Membran-Jacke im Sortiment, obwohl sich meistens nur die Farbe und das Branding leicht verändern. So entsteht ein immenser Überschuss an Produkten, die am Ende der Saison zu Schleuderpreisen verkauft werden. Nachhaltigkeit ist ein gern gebrauchtes Schlagwort. Wirkliche Nachhaltigkeit kann man aber dem Kunden nicht allein über ein einziges Produkt vermitteln, man muss es als Unternehmen leben und fühlen, jedes einzelne Individuum im Unternehmen muss es fühlen. Ich will die Menschen inspirieren, sich selbst sowohl auf regionaler und globaler Ebene zu engagieren, eine Gemeinschaft aus Machern ins Leben zu rufen. Eine echte Gemeinschaft, anstatt einer Masse an Followern.