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Koasa statt Kanada

Daheim ist es doch am schönsten. Wer das sagen kann, ohne vorher überhaupt weg gewesen zu sein, der ist entweder sehr weise oder hat #anotherbestday hinter sich. So wie Outville-Kontributor Max Dräger regelmäßig an seinem Homespot Wilder Kaiser.
Text & FotosMax Draeger

Ich schließe die Schnallen der Skischuhe, ziehe den Reißverschluss der Jacke bis unter die Nase und atme tief durch. Drei, zwei, eins… Die Einfahrt ist steil und ich bekomme ordentlich Geschwindigkeit. Beim ersten Schwung sehe ich nur noch weiß. Oben und unten existieren für einen Augenblick nicht mehr, dann tauche ich wieder auf und die Felsen links und rechts von mir bieten Orientierung. Mir entfährt ein Freudenjauchzer, der sofort vom nächsten Faceshot erstickt wird. Ich habe gerade den wohl besten Run der Saison und bin gelinde gesagt pretty damn stoked!

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Der Wilde Kaiser vor der Haustüre

Meine Freundin und Tourenpartnerin Nummer Eins Kathi schwingt unter einer Felswand neben mir ab und in den Spiegelungen der Googles ist nur schwer auszumachen wer von uns das breitere Grinsen hat. So haben wir uns kanadischen Champagne Powder vorgestellt! Dort gewesen sind wir noch nicht und auch wenn die Neugierde groß ist und es für Skifans ja schon fast zum Standardprogramm gehört dem Neuschnee um den ganzen Globus hinterherzujagen, rücken an diesem Nachmittag unsere Reiseideen ganz weit in den Hintergrund. Wir sind nicht in den kanadischen Rockys, sondern in der Roten Rinn Scharte im Kaisergebirge. Der Koasa liegt direkt vor unserer Haustüre in Kufstein und ist quasi unser Homespot.

Die beliebteste Abfahrt vom Schönwetterfensterl

Eingebettet zwischen Kufstein, St. Johann und dem Walchsee ist dieser Gebirgszug nicht gerade für seine Größe und mit einer maximalen Erhebung von 2.344 Höhenmeter auch nicht für seine Höhe bekannt. Aber gerade bei Bergsteiger*innen ist der Wilde Kaiser beliebt. In seinen steilen Wänden wurde Klettergeschichte geschrieben. Zwischen namhaften Gipfeln wie Fleischbank, Predigtstuhl und Ellmauer Halt kommt man in den Scharten und Rinnen auch mit Tourenski auf seine Kosten.

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Einer der absoluten Klassiker ist dabei sicherlich die Abfahrt vom Schönwetterfensterl, eine rund 300 Meter lange Rinne oberhalb der Fritz Pflaum Hütte, die man in circa drei Stunden und nach knapp 900 Höhenmetern durchs Griesner Kar erreicht. Sie erfreut sich vor allem am Wochenende großer Beliebtheit und ist nur selten unverspurt.

Eben jene Rinne war übrigens nicht nur eine meiner ersten anspruchsvolleren Skitouren im Jahr 2016, sondern ist auf gewisse Art und Weise auch Geburtsort unserer Freundschaft und Beziehung. Da ist natürlich klar, dass es uns jeden Winter mindestens einmal dort hin verschlägt. Während meine Tourenpartnerin dort also immer eine Konstante war und ist, durften wir bereits jegliches Wetter und nahezu alle erdenkbaren Schneeverhältnisse erleben. Vor lauter Gipfelromantik und atemberaubender Sonnenuntergangsstimmung haben wir sogar einmal dermaßen die Zeit vergessen, dass wir von der Scharte nur noch mit Stirnlampen abfahren konnten – damals ein echtes Abenteuer für uns.

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So vertraut und doch immer wieder neu

Auch wenn wir beide in München geboren wurden, vor allem für Kathi spielt der Wilde Kaiser schon seit ihrer Kindheit eine große Rolle. Schon im zarten Alter von zehn Jahren verkündete sie später einmal in Kufstein zu leben. Von ihrem Vater wurde sie in die Berge mitgenommen und hier hat sie unzählige Wochenenden radelnd, rodelnd oder wandernd verbracht. Zwischenzeitlich zog sie einen Bildband vom Koasa den Kinderbüchern vor. Kein Wunder, dass sie heute die unbestiegenen Gipfel der Region an einer Hand abzählen kann.

Zu Entdecken und zu Erleben gibt es daheim aber wahrlich noch genug für ein ganzes Leben in Bergstiefeln und auf Tourenski. Genau deswegen lieben wir es auch immer wieder auszurücken in das Gebirge, das uns so vertraut ist und doch jedes Mal aufs Neue überrascht. Der größte Reiz dabei ist sicherlich sich in Situationen zu begeben, die einem anderswo verschlossen bleiben. Denn sind wir mal ehrlich – wer spurt bei sehr schlechter Sicht und großen Neuschneemengen in fremden Revieren steile Hänge an, ohne detaillierte Ortskenntnis und Infos über die Schneedecke?

Die Vorteile eines Hausbergs

Hier wissen wir viel besser worauf wir uns einlassen, können einige Unwägbarkeiten und Risiken ausschließen und beobachten die Entwicklung der Schneedecke über den ganzen Winter. Lokale Eigenheiten des Wetters kann man sich nicht im Internet anlesen, sondern man muss sie selbst erleben und erforschen. Eine dieser Entdeckungsreisen endete letzten Winter mit einem wahren Saisonhighlight.

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„Bei dem Wetter hat man eigentlich draußen nix verloren...“ denke ich mir noch, aber weil wir nur eine knappe, halbe Stunde zum Ausgangspunkt bei der Wochenbrunner Alm fahren, wollen wir es einfach probieren. Zur Not drehen wir halt einfach wieder um. Eineinhalb Stunden später sind die Finger und Zehen eiskalt, meine Nase ist gefroren und an der Kapuze der Hardshelljacke zerrt der Wind einer ausgeprägten Kaltfront. Nur ganz schwach erkenne ich die Umrisse der Felswände, die jene Rinne begrenzen, die ich in steilen Spitzkehren durch fast hüfthohen Neuschnee hochspure. Der dichte Schneefall verschmilzt mit dem wolkenverhangenen Himmel und dem tiefverschneiten Untergrund zu einer konturlosen weißen Fläche. Kathi folgt mir in sicherem Abstand und auch wenn ich im Schneegestöber nur schemenhaft ihre Umrisse erkenne, weiß ich dass sich ein grinsendes Gesicht hinter dem hochgezogenen Reißverschluss verbirgt. Weder sie noch ich spielen mit dem Gedanken umzudrehen und dieses gerade so ungemütliche Fleckchen Erde gegen das warme Wohnzimmer einzutauschen. Die Rote Rinnscharte rückt immer näher und begrüßt uns mit stürmischen Windböen. Hinter einem Felsblock suchen wir Schutz und fellen ab. Noch haben wir Zeit und beschließen abzuwarten, ob sich die Wolken ein bisschen lichten und der Schneefall etwas nachlässt. Die vor uns liegende Abfahrt, soviel steht schon seit rund zwei Stunden fest, wird richtig gut, mit minimal besseren Sichtverhältnissen, gigantisch.

Panorama von den Tauern bis in die Loferer Steinberge

Dass wir nicht einmal 14 Stunden später gleich wieder vor dem Hang stehen spricht wahrscheinlich für sich. Dieses Mal haben wir aber nicht nur unser breites Grinsen und die breiten Latten im Gepäck, sondern auch die morgendliche Wintersonne im Gesicht. Der Blick reicht von den Hohen Tauern und Zillertaler Alpen über die Kitzbüheler Grasberge bis zu den Loferer Steinbergen. Es ist windstill und wir sind wieder ganz alleine. Nur das Knirschen des Schnees unter unseren Ski durchdringt die Stille. Angetrieben von unserer Begeisterung für diesen Ort und der Leidenschaft für diesen Sport ziehen wir erneut unsere Aufstiegsspur in die kaiserliche Rinne.

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Warum also in die Ferne schweifen, jedes Wochenende die Bedingungen im gesamten Alpenbogen studieren und dann für einen (halben) Tag Skifahren gestresst durch die Berge heizen? Spätestens wenn die Fahrzeit die Zeit am Berg übersteigt, bleibt der Spaß doch wortwörtlich auf der Strecke. Sicherlich wohnt nicht jede*r derartig günstig gelegen, aber wir sind überzeugt: Irgendwo bist auch du Local! Lass dich auf deinen Homespot ein und du wirst überrascht werden! Versprochen!

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Max ist in der Nähe von München aufgewachsen und entdeckte als Kind die Spielwiese Alpen. Skibergsteigen, Klettern, Bouldern, Wandern, Trailrunning, Mountainbiken – hauptsache hoch hinaus und schnell wieder bergab! Aus der Freizeitbeschäftigung wurde eine echte Leidenschaft und er verlegte seine Homebase an den Wilden Kaiser nach Tirol. Mit dem Wort „Job“ tut sich Max schwer – viel lieber spricht er von Berufung. Schon direkt nach dem Abi wählt er den Weg in die selbstständige Fotografie. Als professioneller Bergsport-, Lifestyle-und Reisefotograf bevorzugt er alpines Gelände, wo seine beiden Leidenschaften nahezu verschmelzen.

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