Redet man mit Leuten, kommt meistens etwas Unerwartetes dabei heraus. Eigentlich war der Plan heute mit der frühen Gondel auf die Seiser Alm zu fahren, um im Morgenlicht über die perfekt präparierten Loipen auf Europas größter Hochalm zu gleiten. Doch dann haben wir gestern beim Abendessen in Seis Annemarie kennengelernt und hüpfen jetzt in ihr Auto. Sie hat uns nämlich nicht nur von ihren beiden Leidenschaften Jagen und Instagram erzählt, sondern auch von ihrem Lieblings-Kaffee, der im Nachbarort Völs am Schlern geröstet wird. Wir parken an einem imposanten, mattschwarzen Gebäude mit dem Schriftzug Caroma. Es ist die Welt von Valentin Hofer, dem ersten Kaffee-Sommelier Italiens und der treibenden Kraft hinter Caroma Caffè.
Mit großer Leidenschaft und unternehmerischer Weitsicht produziert er nicht nur seit 25 Jahren qualitativ hochwertigen Kaffee, sondern versucht auch andere dafür zu begeistern. Schon früh setzte er auf ökologisch angebauten Rohkaffee, der zudem auch zu sozial fairen Bedingungen gehandelt wird. Seine Philosophie lautet: Jeder in der Wertschöpfungskette muss anständig entlohnt werden und das eben über einen höheren Verkaufspreis. „Heutzutage ist das zum Glück kein Problem mehr“, so der Südtiroler, „weil viele Kunden nicht nur Wert auf Qualität legen, sondern auch auf Nachhaltigkeit und Transparenz“. Früher gab es das Bewusstsein nicht. Hauptsache der Kaffee war billig. Inspiriert von Valentin und seiner Kaffeewelt, samt einer ordentlichen Dosis Koffein im Blut, machen wir uns auf den Weg zu den Loipen der Seiser Alm.
Langlaufparadies auf Europas größter Hochalm
Ähnlich wie bei Valentin und seinem Kaffee, war es auch bei mir Leidenschaft die mich hier her brachte. Die Leidenschaft für die Dolomiten einerseits und für das Langlaufen andererseits. Als mir Peter Räuber von Maloja letzten Winter ein Bild von sich beim Langlaufen auf der Seiser Alm geschickt hatte, mit den imposanten Rosszähnen samt Schlern im Hintergrund, war für mich klar, da muss ich unbedingt mal im Winter zum Pommeslaufen hin. Bis dato kannte ich Europas größte Hochalm nur aus dem Sommer und vom Mountainbiken, da ich sie einmal in die Route eines Dolomiten Cross eingebaut hatte. Damals wurde mir jedoch die Größendimension nicht bewusst, da wir vom Mahlknechtjoch kommend den direktesten Weg nach Sankt Ulrich in Süd-Nord-Richtung genommen haben. Dass es sich bei der Seiser Alm aber um eine Fläche von 56 Quadratkilometern handelt, so groß wie 7.843 Fußballfelder, gelegen auf einer Höhe zwischen 1.680 und 2.350 Metern, wurde mir erst jetzt beim Langlaufen bewusst. Wir haben die Hochfläche mit insgesamt 80 Kilometer Loipen in allen Schwierigkeitsgraden auch in ihrer Ost-West-Ausdehnung erkundet. Gespurt wird für Freunde der klassischen Technik genauso wie für Skater. Durch die Höhenlage ist das Gebiet sehr schneesicher und auch unter Langlauf-Profis sehr beliebt. So kommen die Nationalmannschaften der Italiener, Schweden und Norweger regelmäßig auf die Seiser Alm zum Höhentraining.
Der Kaffeeflüsterer Valentin Hofer aus Völs am Schlern
Auch nach Völs in die Caroma-Zentrale kommen regelmäßig Menschen zum Trainieren – nämlich zum Kaffeetraining. Valentin Hofer liegt es sehr am Herzen, dass alle, die Kaffee zubereiten, egal ob Profi- oder Hobby Barista auch das entsprechende Fachwissen vermittelt bekommen. Denn was nützt der hochwertigste Kaffee, wenn man nicht weiß, wie man ihn zubereitet, um das geschmacklich beste Ergebnis zu erzielen. „Im schlimmsten Fall fällt es negativ auf mich und meinen Kaffee zurück“, so der Südtiroler Kaffeeflüsterer, „wenn ein Gast in einer Bar einen schlecht gebrühten Caroma-Kaffee bekommt und dann von der Qualität enttäuscht ist. Anfangs haben Hotel- und Cafe-Besitzer ihr angestammtes Personal für einen Barista Kurs zu mir geschickt. Wenn du dann jemandem, der seit 20 Jahren hinter dem Tresen an der Kaffeemaschine steht, vermitteln möchtest, dass er doch besser dieses oder jenes nicht mehr wie gewohnt machen soll, sondern ganz anders, dann stößt das oft auf keine große Gegenliebe,“ erzählt der Südtiroler. „Deshalb kooperieren wir seit einigen Jahren mit den Südtiroler Hotelfachschulen, für die wir den Nachwuchs in Sachen Kaffee ausbilden. Wir sensibilisieren sie von Anfang an für hochwertigen Kaffee und zeigen ihnen, wie sie diesen zubereiten müssen, um dem Gast ein Genusserlebnis zu verschaffen, das ihn glücklich macht. Über einen zufriedenen Gast freut sich der Barista und dann hat er auch mehr Freude an seinem Beruf.“ Das Streben nach Qualität und sozialer Verantwortung hat auch dazu geführt, dass Valentin seit 2017 zusammen mit Partnern aus Europa und Honduras ein eigenes Kaffeeprojekt in Honduras leitet. Dort werden auf zwei Hochlandplantagen Arabica-Bohnen unter ökologischen und sozial fairen Bedingungen angebaut und vor Ort weiterverarbeitet.
Langlaufen mit der Olympia Bronzemaillengewinnerin Karin Moreder
Zurück zur Leidenschaft, sie treibt auch Karin Moreder an. Die sympathische Grödnerin war 15 Jahre lang in der italienischen Skilanglauf Nationalmannschaft und Bronzemedaillen-Gewinnerin bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver. Heute arbeitet sie im Sommer als Mountainbike-Guide und im Winter als Langlauflehrerin und -trainerin. Auf der Seiser Alm kennt sie jeder. Als wir uns mit ihr treffen, tönt es ständig von allen Seiten „Hoi Karin, wiea goats? Loafsch huit beim Moonlight Classic mit?“ Und da erzählt sie uns, dass sie nach sieben Jahren Wettkampfabstinenz heute Abend wieder mal beim legendären Moonlight Classic Skimarathon an den Start gehen wird. Ein Jedermann-Rennen, das Hobbyläufer gleichermaßen anzieht wie Profis oder solche, die es einmal gewesen sind. Das Besondere an dem in der klassischen Technik ausgetragenen Rennens ist, dass es in einer Vollmond-Nacht ausgetragen wird. Dann flitzen bis zu 400 internationale Teilnehmer mit Stirnlampen über die 15 beziehungsweise 30 Kilometer lange Strecke, die spektakulär mit über 1.000 Fackeln ausgeleuchtet ist.
Karin zeigt uns die 15 Kilometer Runde, die sie heute Abend im Rennen laufen wird. Start ist in Compatsch, wo auch die Gondel von Seis alle Skifahrer und Langläufer ausspuckt, die nicht direkt auf der Seiser Alm wohnen. Mit dem Schlern im Hintergrund, laufen wir im stetigen auf und ab Richtung Ritscher Schwaige, immer mit Blick auf den imposanten Langkofel und seinen Nachbarn, den Plattkofel. Beim Hotel Ritsch der Familie Malfertheiner, in dem man unbedingt auf ein Südtiroler Knödel Tris aus Spinat-, Rote Beete und Kasknödel oder Schüttelbrot-Tagliatelle einkehren sollte, treffen mehrere Loipen aufeinander. Sportlich starke Läufer können von hier aus in die schwarze Panorama und Joch Loipe einsteigen, die wie der Name schon sagt, ein großartiges Panorama versprechen, da man hier die 2.000-Meter-Marke knackt. Für Genussläufer bieten sich die beiden blauen Loipen Möser und Wolfsbühel an. Sie ziehen sich über weite, sanft geschwungene Almlandschaften, die mit kleinen Wäldchen und urigen Almhütten gespickt sind. Hier hinten im östlichen Teil der Seiser Alm findet sich deutlich weniger Infrastruktur als rund um Compatsch. Dementsprechend ursprünglicher und ruhiger geht es hier zu und nichts lenkt mehr ab von dem Panorama, das zurecht Unesco Weltkulturerbe ist. Außer vielleicht ein paar Einheimische, die einen auf einen Schnaps in ihre Hütte einladen.
Die herzliche und unaufgesetzte Art der Südtiroler hat mich schon immer begeistert, genau wie ihre Liebe zu ihren eigenen Produkten und dem, was sie auf hohem Niveau daraus herstellen. Dass diese alpine Lebensart dann auch noch in den Dolomiten beheimatet ist, einer, der für mich beeindruckendsten Landschaften, finde ich einfach nur großartig. Deshalb komme ich immer wieder gerne zurück. Ab jetzt nicht nur zum Mountainbiken, sondern auch zum Langlaufen.
Fotos: Armin Mayer und Christian Wander
Alle wichtigen Informationen rund um die Seiser Alm wie Unterkünfte, Gastronomie, Aktivitäten, Events, Wetter- und Schneebericht, etc. finden sich hier.
Anreise
Mit dem Auto sind es von München aus 270 Kilometer und die Fahrzeit beträgt ungefähr 3 Stunden. Alternativ kann man auch mit dem Flixbus in dreieinhalb Stunden von München nach Klausen fahren und von dort mit dem Bus der Linie 170 in 38 Minuten weiter bis nach Seis.
Langlaufen und Skifahren
Die Seiser Alm ist ein Wintersport Eldorado für Langläufer gleichermaßen wie für Skifahrer. Insbesondere Familien finden auf der Hochebene perfekte Pisten im leichten bis mittleren Schwierigkeitsbereich vor. Zudem ist Italiens bester Snowpark auf der Alm beheimatet, der auch zu den Top 10 in Europa zählt. Für Langläufer gibt es 80 Kilometer gespurte Loipen von leicht bis schwer, die sich über die komplette Hochalm ziehen. Start ist immer der kleine Hauptort Compatsch, den man entweder mit dem Auto von Seis aus erreicht (Zufahrt bis neun Uhr und dann wieder ab 17 Uhr) oder bequem mit der Umlaufgondel von Seis aus (täglich ab acht Uhr).
Langlaufunterricht kann man bei der Skischule Seiser Alm oder Schlern 3000 nehmen. Equipment gibt es bei Alpin Sports in Seis oder Compatsch zum ausleihen.
Events
Der Moonlight Classic Skimarathon geht immer Ende Januar oder Anfang Februar zum Vollmond an den Start. Von Mitte bis Ende März findet die Konzertreihe Swing on Snow statt.
Übernachten
Wer sich gut bettet, schläft gut und hat mehr vom Tag. In den vier Talorten Kastelruth, Seis, Völs und Tiers sowie direkt auf der Seiser Alm findet sich die komplette Bandbreite an Übernachtungsmöglichkeiten, vom Privatzimmer, über Urlaub auf dem Bauernhof, Ferienwohnung und Gasthof bis hin zum fünf Sterne Hotel. Eine Übersicht bietet die Website von Südtirol und der Seiser Alm.
Wer kein großes Spa-Angebot sucht, dafür feines Essen in familiärer Atmosphäre findet im toll gelegenen Hotel Arvina in Seis mit nur 12 Zimmern eine sehr empfehlenswerte Unterkunft. Architekturfreunde sollten sich in Kastelruth das Boutique Hotel Schgaguler mit skandinavisch anmutender Innenarchitektur genauer ansehen. Möchte man direkt auf der Seiser Alm inmitten des großartigen Dolomitenpanoramas mit Ski-in und -out-Möglichkeit (Langlauf und Alpin) residieren, so bietet sich zum Beispiel das Hotel Ritsch der langlaufbegeisterten Familie Malftheiner an, die aus Produkten der eigenen Landwirtschaft leckere Köstlichkeiten zaubern. Ferienwohnungen in modern interpretiertem Alpenstil mit Wellness- und Spabereich gibt es bei Paula Wiesinger Appartments & Suits in Seis. Auf dem Bauernhof Aussergost der Familie Mulser, die auch die bekannte Gostner Schwaige betreiben kann man zwischen vier stilvoll eingerichteten Appartments wählen und sitzt direkt an der Quelle selbstgemachter Produkte wie Käse, Joghurt, Fruchtaufstriche, Chutneys und Tees.
Essen und Trinken
Das ist das wirklich schöne an Südtirol, feines Essen findet man so gut wie überall, sei es im traditionellen Wirtshaus, im gehobeneren Restaurant oder auf der Hütte am Berg. Traditionelle, südtiroler Gerichte in hoher Qualität werden in uriger Atmosphäre im Alten Fausthof der Familie Fink in Völs serviert. Südtiroler Küche auf hohem Niveau zelebriert Stephan Pramsthrahler in seinem Restaurant Zum Turm in Völs. Nicht weniger ambitioniert ist Franz Mulser, der nicht nur seinen eigenen Käse macht, sondern in seiner Mini-Küche auf der Gostner Schwaige feinste südtiroler Köstlichkeiten aus lokalen Produkten zaubert. Mit großartigem Panorama lässt es sich im Restaurant des Berghotels Goldknopf auf über 2.000 Metern speisen. Für eine leckere Pizza schaut man am besten bei Santner’s Pizzeria in Seis vorbei. Tradition haben in Südtirol die sogenannten Buschenschänken, bäuerliche Schankbetriebe, in denen typisch südtiroler Speisen aufgetischt werden und das teils auf kulinarsich hohem Niveau wie zum Beispiel beim Wasserer Hof und Front Hof in Völs sowie im Lafogl in Kastelruth. Bei beiden letzteren kann man auch übernachten.
Lokale Produzenten
Man findet hier in der Gegend nicht nur sehr gute lokale Käse- und Speckproduzenten wie Franz Mulser von der Gostner Schwaige und Dieter Trocker vom Kaltenbrunnhof, sondern auch Biokräuter und -tees vom Pflegerhof.
Überregionale Bekanntheit erlangt haben die feinen Obstbrände, Grappa, Rums und ausgefallenen Gins von Florian Rabanser, die der gelernte Koch aus St. Valentin auf seinem über 300 Jahre alten zu Plun Hof brennt. Innerhalb kürzester Zeit hat sich der Alchemist aus den Dolomiten aufgrund seiner Experimentierfreudigkeit, technischen Finesse und hohen Erzeugnisqualität einen Namen in der Spirituosen-Fachwelt und internationalen Barszene gemacht.
Alle Kaffee Aficionados müssen bei Valentin Hofer und seiner Kaffee-Erlebniswelt Caroma in Völs am Schlern vorbeischauen. Hier gibt es nicht nur guten Kaffee zu genießen, sondern auch über 2000 alte Kaffeemühlen zu bestaunen sowie ein ausgesprochen gut gemachtes Kaffeemuseum.
Ebenfalls in Völs am Schlern angesiedelt ist das Weingut Gump Hof von Markus Prackwieser, der ausgezeichnete Weine direkt am Fuße der Dolomiten entstehen lässt. Insbesondere seine Sauvignon Blancs und Weißburgunder räumen regelmäßig internationale Auszeichnungen ab.