Die letzten Monate standen bei mir ganz im Zeichen des Lift unterstützten Mountainbikens. So viele Sessellift- und Gondelfahrten wie zuletzt, habe ich während meines gesamten, nun schon mehr als 30 Jahre währenden Mountainbiker-Lebens nicht gemacht. Wie kommt`s? Corona hat ausnahmsweise damit überhaupt nichts zu tun. Genauso wenig bin ich plötzlich bergaufkurbelmüde geworden, ganz im Gegenteil. Es liegt schlichtweg daran, dass Paul, mein älterer Sohn, seit wir bei den Father & Son Days von Holger Meyers Rasenmähern waren, nur noch lange Singletrails fahren möchte, am liebsten natürlich bergab, möglichst naturbelassen, gerne mit kleinen Sprüngen, Anliegern und verblockten Passagen. Bergab fährt er mittlerweile technisch so sauber und sicher, dass er ohne weiteres mit mir mithalten kann. Über kurz oder lang wird eher die Frage sein, wie lange ich noch mithalten kann und das gilt nicht nur fürs Bergabfahren, sondern auch fürs Hochkurbeln. Auf kurzen Anstiegen ist er jetzt schon schneller als ich, nur wenn es länger am Stück bergauf geht, zahlt sich meine über viele Jahre aufgebaute Ausdauer aus. Aber wie gesagt, alles nur eine Frage der Zeit.
Eigentlich bin ich kein so großer Freund von Gondeln oder Shuttles. Denn ich finde, dass sich eine Abfahrt, die man sich zuvor selbst erstrampelt hat, komplett anders anfühlt und man sie auch mehr wertschätzt. So ergeben sich meistens, abhängig von der Tour eine, zwei, maximal drei Abfahrten am Tag. That’s it. Gibt man die Bergaufmühen an Lift, Auto oder Zug ab, kommt man in den Genuss von deutlich mehr Abfahrten. Wenn man es krachen lässt, sind schon mal bis zu 5.000 Tiefenmeter an einem Tag möglich. Aber dadurch rutscht man – zumindest beobachte ich das bei mir –in einen Zustand des reinen Tiefenmeterkonsums, und die Abfahrt – ursprünglich Motivation und Belohnung zugleich fürs Bergauffahren, -schieben und -tragen – verkommt zu einem nur sehr kleinen, weil inflationären Glücksgefühl. Das Besondere geht damit für mich ein Stück weit verloren. Die reine Bergabfahrt-Fraktion, die sich in den Bikeparks dieser Welt tummelt, sieht das natürlich anders. Und dass sich die große Mountainbike-Community mittlerweile in viele Sub-Communities aufgesplittet hat, wird mir wieder mal so richtig bewusst, als wir am Samstagmorgen unseres Männer-Wochenendes in der Mountainbike Destination Serfaus-Fiss-Ladis an der Talstation des Bikeparks in Fiss einlaufen und, obwohl noch nicht mal neun Uhr ist, quirliges Treiben herrscht. Selbst diejenigen, die nichts mit der Mountainbike-Szene am Hut haben, erkennen sofort: Hier geht's um alles. Sprichwörtliche Heerscharen an Gladiator:innen in Vollprotektion, ihre Pferdchen alle mit Doppelbrückengabeln und mindestens 160 Millimeter Federweg.
Paul schaut leicht eingeschüchtert aus der Wäsche. Auf kleinstem Raum hat auch er noch nie so vielen Fullface-Helme und teils monströs ausschauende Downhill Bikes gesehen wie hier. Kein Wunder, insbesondere der Bikepark der Region um Serfaus- Fiss-Ladis genießt im deutschsprachigen Raum einen sehr guten Ruf. Vor allem auch unter Mountainbike begeisterten Familien, da hier Jede:r auf seine und ihre Kosten kommt. Das erklärt uns auch Andi Marth vom Bikepark-Team, mit dem wir vor unserer ersten Fahrt noch einen schnellen Kaffee trinken. Er gibt uns nicht nur einen Einblick in das Konzept hinter dem Bikepark, sondern hinter dem ganzheitlichen Tourismus der Region, der die Familie in den Vordergrund stellt und daran die komplette Infrastruktur, sowie die touristischen Angebote ausrichtet. Am Berg fallen einem nicht nur die unzähligen, riesigen Abenteuerspielplätze für Kinder auf, sondern auch die vielen Familien, die zusammen im Bikepark oder auf den Trails oben am Berg unterwegs sind.
„Anfangs“, so Andi, „haben wir es mit der Trail Tolerance auf den Wanderwegen oben im Skigebiet versucht. Es hat allerdings nicht so funktioniert, wie wir uns das erhofft hatten. Es waren einfach zu viele Menschen gleichzeitig auf den gleichen Wegen unterwegs. Daraufhin haben wir ein neues Nutzungskonzept entwickelt, das auf einer getrennten Lenkung von Wanderern und Mountainbikern basiert, um somit potentiellen Konflikten entgegenzuwirken.“ Entstanden sind dadurch drei Regionen, der Bikepark, die Bike Trails und die reinen Wanderwege. Nur noch wenige Bereiche werden von Bikern und Wanderern gemeinsam genutzt.
Wir starten mit einer kleinen Aufwärmrunde durch den Bikepark. Los geht's mit auf dem leichtesten Trail, dem Milky Way, der auch für Mountainbike-Neulinge gut machbar ist. Nach dem ersten Viertel wechseln wir jedoch auf den mittelschweren und damit auch spannenderen Strada del Sole Trail, der mit deutlich mehr Sprüngen versehen ist und auch steilere Segmente aufweist. Insgesamt neun Trails von leicht bis schwer stehen zur Auswahl. Man kann immer wieder zwischen den verschiedenen Trails hin und her wechseln. Am Ende führen alle durch den Skillpark mit unterschiedlich großen Tables und Doubles, einer Dropbatterie von 20 Zentimeter bis zwei Meter Höhe sowie einem Anlieger Parcours. Ein Pumptrack gegenüber der Talstation rundet das vielfältige Angebot ab und eignet sich auch perfekt, um mit den ganz Kleinen dort abzuhängen, während die anderen eine Runde im Park fahren.
Da im Bikepark mittlerweile ziemlich viel los ist und die Schlange unten an der Gondel immer länger wird, wechseln Paul und ich auf die andere Bergseite, um möglichst viele der acht Singletrails des Gebiets zu erkunden. Mit Hilfe der Schönjochbahn lassen wir uns hinauf zum Fisser Joch auf 2.436 Meter shutteln. „Schon irgendwie krass“, denke ich mir, „dass man innerhalb von wenigen Minuten 1.000 Höhenmeter zurücklegt und schlagartig inmitten einer hochalpinen Landschaft wieder ausgespuckt wird“. Die Szenerie ist schroff, das Panorama gewaltig und es ist deutlich weniger los als unten im wuseligen Bikepark. Irgendwie mehr mein Ding. Und ich glaube, Paul denkt in dem Moment genau das Gleiche.
Wir entscheiden uns nach kurzer Beratschlagung als erstes Richtung Schöngampalm abzufahren und dort unsere Mittagspause einzulegen. Auf dem Weg nehmen wir zwei neu gebaute Trails, den Flüster- und den Zirbentrail, unter die Stollen. Der Startpunkt ist direkt am Fisser Joch, das so etwas wie einen zentralen Trailknotenpunkt im weitläufigen Areal darstellt. Von hier aus lassen sich nämlich fünf der acht ausgewiesenen Singletrails erreichen.
Der mittelschwere Flüstertrail ist ein klassischer alpiner Singletrail, steinig, teils geröllig, teils steil, teils verspielt zirkelt er sich die spärlich bewachsene Hangflanke hinunter zum kleinen Heustadel Dorf, wo man auf riesigen Holzliegen kurz verschnaufen kann.
Ein Plattfuß zwingt uns jedoch schon etwas eher zum Innehalten und Landschaft genießen. Denn fast schon hinterhältig provoziert ein unscheinbar aus der dünnen Grasnarbe herausspitzelnder Stein reihenweise Durchschläge. Bei uns erwischt es Paul. In Gesellschaft einer weiteren Snakebite-Crew wechseln wir den Schlauch. Die kleine Zwangspause ändert jedoch nichts daran, dass Paul zufrieden ist. „Papa, das ist genau so, wie ich es mag. Ein natürlicher Trail, nicht plattgewalzt, dafür ruppig, a bisserl verblockt und mit vielen kleinen Drops. Richtig cool!“ Als jedoch ein paar Minuten später wieder der Snakebite zuschlägt und ein lautes „Psssssssss“ ertönt, sinkt die gute Laune schlagartig. Vermutlich auch, weil sich so allmählich auch ein kleiner Hungerast breit macht. Einen Schlauch haben wir keinen mehr. Also wird geflickt und gehofft, dass das heute der letzte Platten bei Paul war.
Die ersten Meter auf dem sich anschließenden Zirbentrail fährt er mit angezogener Handbremse. Offensichtlich sitzt ihm ein wenig die Angst eines weiteren Platten im Nacken. Aber das verliert sich ganz schnell, denn der neue Trail absorbiert ihn komplett. Flowig schlängelt er sich durch den zauberhaften Zirbenwald und lädt mit mehreren North Shore Elementen, Doubles und Mini Tables zum Spielen ein. Viel zu schnell spuckt uns der spaßige Flowtrail direkt oberhalb der idyllischen Schöngampalm aus. Aber genau zur rechten Zeit, denn unsere Mägen sind schon richtig am Knurren. Leckeres Knödeltris und Kaiserschmarrn füllen die leeren Energiespeicher wieder auf.
Leicht narkotisiert vom völlenden Mittagessen, schaukeln wir mit der Almbahn hoch zum Zwölferkopf auf 2.596 Meter, dem höchsten Trailstartpunkt des gesamten Gebiets. Die Aussicht hier oben ist noch einen Zacken besser als vom Fisser Joch. Man sieht hinein bis ins Ortlermassiv des benachbarten Vinschgaus. Doch der frische Wind ist nicht besonders einladend und wir schauen, dass wir weiterkommen. Schließlich wartet noch das Highlight des Tages auf uns, der fast schon legendäre Frommestrail. Davor cruisen wir noch den als leicht eingestuften Almtrail hinunter zum Fisser Joch. Schnelle flowige Passagen wechseln sich ab mit kurzen, steileren Abschnitten, gespickt mit Spitzkehren und tollen Ausblicken.
Zurück am Fisser Joch, dem Startpunkt unserer heutigen Trail-Safari, lassen wir den ebenfalls neu gebauten Jochtrail, der das Trailgebiet von Fiss mit dem von Serfaus verbindet, rechts liegen und strampeln kurz hoch zum Schönjoch auf 2.493 Meter. Empfangen werden wir von einem imposanten Gipfelkreuz, das zugleich auch den Beginn des Frommestrail markiert. Mit rund neun Kilometer Länge und 1.000 Tiefenmeter gilt er als längster Trail in der gesamten Bike Arena Serfaus-Fiss-Ladis und sicherlich auch als abwechslungsreichster, sowohl was die Landschaft angeht, als auch den Trail selbst. Nicht ganz zu unrecht genießt er fast schon einen Legendenstatus unter den alpinen Flowtrails.
Der erste Abschnitt des Trails hinunter bis zu den Speicherseen ist geprägt von einer beeindruckenden, hochalpinen Kulisse mit tiefen Blicken hinab ins Inntal. Der Trail ist insgesamt sehr flowig und schnell zu fahren, weist aber trotzdem den Charakter eines natürlichen Bergpfads auf, steinig, manchmal geröllig, manchmal felsig, ganz selten leicht verblockt, alles in allem sehr verspielt, fordernd aber nie überfordernd. Fortgeschrittenere Biker:innen finde viele kleinere und größere Wellen sowie natürliche Hindernisse vor, die immer wieder zum Springen einladen. Teilweise fühlt man sich wie auf einer nicht enden wollenden Murmelbahn. Der Spaßfaktor ist richtig hoch. Da sind wir beiden uns schnell einig.
Beim Frommeskreuz legen wir nochmals eine kurz Pause ein. Mittlerweile sind wir komplett allein auf dem Trail. Es ist völlig still um uns herum. Nur ein paar Bergdolen ziehen ihre Kreise über uns. Die Stimmung hat schon fast etwas Magisches. Ab hier wird der Trail etwas steiler, auch schottriger und es folgen ein paar engere Kurven bis man die steile Bergflanke hinter sich hat und sich ein weites Almengelände öffnet. Schnell wird es wieder flowiger und der Trail schlängelt sich durch das offene Almengelände talwärts bevor er in einem lichten Fichtenwald mit abwechslungsreichen Wurzelpassagen verschwindet und in der Nähe der Frommes Alpe auf eine Forststraße trifft. Hier hat man die Wahl: Entweder pedaliert man zur nahen Frommes Alp und legt eine Pause auf der schönen Sonnenterrasse ein, oder man nimmt den letzten und auch technisch anspruchsvollsten Teil des Frommestrails unter die Räder oder man umfährt den schwierigsten Abschnitt auf der Forststraße.
Wir entscheiden uns für Option 2 und sind uns einig, dass wir morgen auf alle Fälle nochmals den Frommestrail fahren und dann Option 2 mit Option 1 kombinieren werden, denn heute hat die Frommes Alp schon geschlossen.
Und die Entscheidung war goldrichtig, wie Paul später beim Abendessen feststellt. Der fahrtechnisch interessanteste Teil ist tatsächlich der letzte ab der Frommes Alp mit seinen verblockten Passagen, Wurzelteppichen und steilen, Fels durchsetzten Abschnitten. Wohingegen der landschaftlich reizvollste in der oberen Hälfte zwischen Schönjoch und Frommeskreuz liegt.
Am nächsten Morgen stellt sich nicht die Frage, ob Lift oder Pedalieren, sondern vielmehr welche Trails wir fahren wollen. Eigentlich würde ich gerne noch die anderen vier Singletrails auschecken, aber zeitlich geht sich das nicht mehr ganz aus, da wir nur noch einen halben Tag Zeit haben. Paul sieht recht pragmatisch und meint, „dann lass uns doch einfach nochmals den Frommes Trail fahren. Aber bitte diesmal mit weniger Foto-Stopps, dann schaffen wir vielleicht sogar zwei Runs“. Dank Liftunterstützung kein Problem. Und für die anderen Trails, die wir an diesem Wochenende nicht mehr geschafft haben, kommen wir einfach wieder, dann aber in ganzer Familienstärke.
Alle wichtigen Informationen rund um Serfaus, Fiss und Ladis wie Unterkünfte, Gastronomie, Aktivitäten, Events und Wetterbericht, etc. finden sich hier.
Anreise
Mit dem Auto sind es von München aus rund 180 Kilometer bis nach Fiss und die Fahrzeit beträgt ungefähr zweieinhalb Stunden. Alternativ kann man auch mit Zug und Linienbus in etwa dreineinhalb Stunden von München über Landeck nach Serfaus, Fiss, Ladis fahren.
Bikepark und Singletrails
Die drei Orte Serfaus, Fiss und Ladis richten sich mit ihrem touristischen Angebot ganz klar auf die Bedürfnisse von Familien aus - für Klein und Groß. So gibt es neben dem Bikepark mit neun unterschiedlich schweren Lines und den acht Singletrails auch jede Menge Attraktionen für die jüngeren Gäste wie den Sommer-Funpark Fiss beim Bergrestaurant Möseralm, der Sommerrodelbahn Fisser Flitzer oder dem Erlebnispark Hög oberhalb von Serfaus mit Badesee, Tretbooten und Flößen.
Für die bikende Gästeschar gibt es zum einen das All-Mountain Rides Ticket. Damit lassen sich für 49 Euro sämtliche Liftanlagen einschließlich Bike benutzen, die den Zugang zu allen Single sowie Bikepark Trails ermöglichen. Zum anderen gibt es für je 41 Euro ein Bikepark Ticket für all diejenigen, die nur die Waldbahn als Zubringer für die Bikepark Trails nutzen möchten, sowie ein ebenso teures Trail Ticket, mit dem man alle Singletrails im weitläufigen Gebiet erreichen kann. Für Kinder zwischen sieben und fünfzehn Jahren sind die Tickets rund 50 Prozent günstiger.
Bike Shops und Verleihstationen
In Serfaus und Fiss bieten insgesamt sieben Bike Shops und Verleihstationen Mountainbikes an. Direkt an der Talstation der Waldbahn in Fiss befindet sich der Bikepark Shop inklusive Verleih von Propain Bikes (für Kinder und Erwachsene) und entsprechendem Safety Equipment. Fahrtechnik Kurse können über die angegliederte Bike Schule gebucht werden.
Übernachten und Einkehren
Wer sich gut bettet, schläft gut und hat mehr vom nächsten Tag auf dem Bike. In Serfaus, Fiss und Ladis findet sich die komplette Bandbreite an Übernachtungsmöglichkeiten, vom Privatzimmer, über Urlaub auf dem Bauernhof, Ferienwohnung und Gasthof bis hin zum fünf Sterne Hotel.
Das Hotel Gebhard in Fiss ist ein kleines aber feines Hideaway mit nur 19 Zimmern. Willkommen ist jeder, ob Familien, Paare oder Alleinreisende. Die Zimmer sind schlicht, modern und dank den vielen Holzmöbeln heimelig eingerichtet. Die Zutaten fürs leckere Frühstück oder Abendessen kommen vorwiegend aus der umliegenden Region.
Drei stilvolle und hochwertig ausgestattete Ferienwohnungen finden sich im Chalet Chesa Muntanella in Fiss.
Bei Familie Wachter lässt sich es prima in einer der sechs Ferienwohnungen auf dem 350 Jahre alten Wachter Hof mitten im alten Dorfkern von Fiss wohnen.
Moderne Architektur trifft in Ladis auf altes Burggemäuer aus dem 12. Jahrhundert. Das Refugio Laudegg beherbergt neun Zimmer und vier Suiten, allesamt minimalistisch-modern mit viel, Holz eingerichtet. Gefrühstückt und Abend gegessen wird nebenan im Rauthof.