Vergangenes Wochenende: Wir schnaufen gerade auf dem obersten Ritzel und im Schneckentempo einen breiten Schotterweg hoch, da hält uns eine alte Frau an: „Sie, jetzt muss ich Sie schon mal was fragen! Muss das denn sein?“ Ich hole tief Luft. Am liebsten würde ich ihr entgegen schmettern: „Wenn du allein sein willst, dann fahr' für deine zehn Meter Sonntagsspaziergang halt nicht ausgerechnet zum Bike Opening in die so genannte Bike Republic Sölden!“ Natürlich beiß ich mir auf die Zunge. Stattdessen erklären wir bemüht verständnisvoll: „Schauen Sie, das hier ist ein Forstweg, der ist doch breit genug für uns alle. Und hier, das ist ein shared trail. Den teilen wir uns einfach.“ Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie erfolgreich unsere Vermittlungsversuche waren: gar nicht.
Wir Mountainbiker haben vielleicht das schlechteste Image aller Outdoorsportler. Vom Förster über die Waldbesitzer bis zum Naturschützer – alle haben irgendwie was gegen uns, keiner versteht und niemand mag uns. Die endlose Diskussion um die Isartrails in München ist nur ein Beispiel für die komplizierte Situation. Doch es geht auch ganz anders. Das beste Beispiel: Die HeumödernTrails in Treuchtlingen.
Bekannt durch die Enduro Series
Als Mountainbike-Destination landesweit bekannt wurde die Kleinstadt im Altmühltal durch die Specialized SRAM Enduro Series, die den Mountainbikesport in Deutschland wesentlich voran brachte und die zwischen 2012 und 2017 jährlich auch in Treuchtlingen gastierte. Einer der Vorstände des in der Nähe beheimateten RC Germania Weißenburg hat sogar am Reglement der Wettkampfserie mitgearbeitet. Die Bike-Szene im Altmühltal ist seit jeher lebendig, auch Robert Rieger aus Ellingen bei Weißenburg hat auf den Treuchtlinger Trails trainiert.
„Der Bürgermeister ist irgendwann auf mich zugekommen: 'Mensch, dahinten ist ein Waldgasthof, schau dich da mal um.' Und dann haben wir gedacht, wenn es Enduro-Fahrer cool finden, hier ein Wochenende Rennen zu fahren, dann muss man doch da ein bisschen was draus machen können.“
Familienparadies Heumöderntrails
Das erzählt uns Robert beim Frühstück in eben diesem Waldgasthof. Heute heißt er Talstation Heumöderntal, weil sechs Trails dort enden. Die Talstation hat zwar keinen Lift, aber eine Brotzeitstube, vier Doppelzimmer und zwei Einzelzimmer, einen Pumptrack und einen Übungsparcours. Auf der Theke steht ein Spendenglas, in das jeder einwerfen kann, was er für die Benutzung der Trails angemessen findet. Wer Massa Vecchia kennt, der könnte sich erinnert fühlen – auch wenn die Dimensionen im Altmühltal kleiner sind als die in der Toskana. Der erste Trail, der in Treuchtlingen in den Wald gebaut wurde, war der flowige Julian Trail, benannt nach Roberts Sohn:
„Ich bin dabei, das umzusetzen, was ich als Familienvater immer gesucht habe. Schnell mal am Wochenende irgendwohin fahren, wo jeder in meiner Familie seinen Spaß hat. Wo auch ich auf meine Kosten komme und immer wieder zügig zurück bin. Und: Ich kann hier auch mit meinen Kindern fahren.“
Roberts eigener Traum vom familienfreundlichen Trailpark findet einen Zielgruppe: Vor allem Vereine und Familien besuchen die HeumödernTrails. Bei der Schwierigkeitsbewertung hat Robert nicht auf die recht abstrakte Singletrail-Skala zurückgegriffen, sondern den Trails Farben zugewiesen: von blau für leicht über rot für mittel bis schwarz für schwer. Einsortiert hat er die Trails, die Zielgruppe im Hinterkopf, lieber ein bisschen schwerer als zu leicht. Selbst auf dem schwarzen Rodelbahntrail gibt es für den fortgeschrittenen Fahrer höchstens ein, zwei knifflige Schlüsselstellen. Künftig will Robert den Fahrspaß seiner noch nicht ganz so erfahrenen Besucher noch weiter erhöhen:
„Die blaue Line, also die einfache Line, muss die geradlinige Hauptline sein und die Abzweige rot. Wenn man sich das mal überlegt: Wir fordern den, der fahrtechnisch schlechter ist, dass er in der Situation, in der er sowieso schon unter Stress steht, auch noch schaut, wo er den leichteren Weg findet. Das bauen wir um.“
Roberts Vorbild ist Schottland
Der Kletter- und Fahrtechniktrainer ist eigentlich ausgebildeter Erzieher – und er hofft mit seinem Projekt dem Mountainbike-Nachwuchs nicht nur Trail Skills, sondern auch Umweltbewusstsein ganz automatisch mitzugeben. Sein Vorbild dabei ist Schottland:
„Bei den Schotten bewundere ich, wie ganzheitlich sie das Thema angehen. Mountainbiken gehört dort zur Natur- und Umwelterziehung dazu. Naturschutz und die Naturverbundenheit sind dabei immer genauso wichtig, wie der Sport an sich. Man hat sich dort einfach einmal pauschal Gedanken gemacht, wie man mit der Situation umgehen will: Viel Land und Natur, verschiedene Interessen, der Wunsch Geld zu verdienen, dabei aber Stress zu vermeiden und das Ganze noch pädagogisch zu unterfüttern.“
Dazu passt auch, dass die HeumödernTrails den Verkehrsverbund Großraum Nürnberg als Partner an Bord haben. Der Bahnhof ist schließlich nur einen guten Kilometer von der Talstation entfernt. Wer fragt bekommt in der Talstation auch GPS Tracks für Trail-Touren im Altmühltal, die außerhalb des Trailparks liegen und per Zug erreichbar sind.
Mountainbiker wollen nichts zerstören
Als Robert uns einen Teil seiner Trails zeigt, treffen wir Waldarbeiter. Es wird geratscht. Sie sagen, dass sie am Julian Trail erstmal kein Holz rücken. Robert bedankt sich, am Wochenende kämen Kids aus einem Radsportverein, da brauche er den einfachen Flowtrail fürs Techniktraining. Wir sind erstaunt über das Entgegenkommen des Försters und der Arbeiter. Warum funktioniert in Treuchtlingen, was an vielen anderen Orten unmöglich scheint?
„Alle kämpfen immer gleich ums Ganze und die Anspruchshaltung ist groß. Wenn alle einen Schritt aufeinander zugehen und man die Szene einbindet, ist das ohne Probleme zu schaffen. Wir haben mit dem Förster hier jemanden, der keine Maximalforderungen stellt, sondern der mit einem sehr wachen Auge und Menschenverstand die Situation beurteilt.“
Aber Robert sagt auch, dass der Weg zu den sechs HeumödernTrails ein langer und langsamer Prozess war, bei dem viel Geduld, Vermittlung, Erklärungen und Kompromisse notwendig waren – wie eben überall beim Thema Mountainbike:
„Jeder überall fängt wieder ganz von vorne an zu erklären: Was sind die Ziele eines Mountainbikers? Was ist ein Trail? Warum sagt ihr, wir fahren querfeldein? Das stimmt nicht. Wir fahren auf Trails. Einige sind illegal entstanden, weil das Angebot einfach nicht da ist. Wären wir gewollt und würden wir ins Licht der Öffentlichkeit treten, dann würden wir den Trail entlang von Forstwegen oder Trassen bauen, die sowieso da sind. Dann stören wir das Wild nicht in seinen Rückzugs- und Schonungsräumen und haben einen überwachten Trailbau. Eine Kasernierung von Mountainbikern ist unmöglich. Wir müssen raus, wir lieben die Natur und wir wollen nichts kaputt machen, wie uns oft nachgesagt wird.“
Viel Liebe fürs Mountainbiken
Vermutlich wird es noch ein bisschen so bleiben, dass wir Mountainbiker uns für unsere Leidenschaft rechtfertigen und erklären müssen. Aber gerade Projekte wie die HeumödernTrails könnten das langfristig ändern. Sie machen den Sport familientauglich und zeigen, dass Mountainbiker nicht irgendwelche verrückten Freaks sind. Sie sorgen für Nachwuchs, der die richtige Einstellung zur Natur mitbringt. Und sie zeigen, dass es funktionieren kann, wenn man seinen Traum einfach lebt, wie Robert:
„Wir sind in keiner Region, in der wir unglaubliche Preise aufrufen können und wir sind in keinem Metier, in dem unglaublich viel Geld am Start ist. Wir sind Herzblut-Athleten, wir haben keine Millionen, die wir in irgendein Projekt investieren können.“
Robert hat vielleicht keine Millionen, die er investieren kann, aber immerhin schon jede Menge Erfahrung im Mountainbike-Business. Hinter den HeumödernTrails und der Talstation steht die RideTime GmbH, die Robert zusammen mit seinem Bruder Andy und einem weiteren Geschäftspartner betreibt. Zur Firma gehört auch die Bikeschule und der Reiseanbieter Happy Trails, sowie die Eventagentur Heimatrausch.
Das Herzblut merkt man Robert und dem Team trotz des professionellen Backgrounds an. Hier geht’s nicht um Marketingphrasen, sondern um ein kleines, feines Projekt, dass die Mountainbike-Welt ein bisschen schöner macht. Wenn der Wetterbericht fürs Alpenvorland also mal düster aussieht, lohnt es sich für einen Tag den Trailpark auszuchecken und sich von der Liebe fürs Mountainbiken anstecken zu lassen. Meine persönliche Empfehlung: der Siggi Trail und Eulen Trail und der Cappuccino in der Talstation.