Wenn es auf die 4 vor der 0 zu geht, schlägt bei vielen die gemeine Midlife-Crisis zu. Egal wie hip, modern und unkonventionell wir uns als urbane Gesellschaft auch geben, wenn man es sich mit 40 noch nicht mit der klassischen Zwei-Kind-Familie im Reihenhäuschen im Vorort gemütlich gemacht hat, nagt dann doch die Frage: Bin ich normal? War‘s das schon? Was kommt jetzt eigentlich noch? Und: Um was geht’s mir überhaupt im Leben? Auch Björn Köcher, Blogger bei St. Bergweh aus Hamburg, hat sich, als die Vier vor der Null immer bedrohlicher wurde, diese Fragen gestellt. Und als Antwort darauf hat er keine große Party geschmissen, sondern das Projekt „The First 40“ ins Leben gerufen. Innerhalb eines Jahres will er 40 Unternehmungen aus den vergangenen 40 Jahren wiederholen – vom Beachvolleyball Match über die Kajakfahrt auf der Alster bis zum Oktoberfestbesuch. Gleichzeitig hat er sich zum Ziel gesetzt, mindestens 800 Euro an Spendengeldern für den Klimaschutz zusammen zu tragen: Für jede Aktion möchte er zehn Euro an Protect Our Winters Austria spenden und jeder, der eine der 40 Aktionen begleitet, soll nochmal mindestens zehn Euro oben drauf legen. Outville hat mit Björn gesprochen.
Outville: Warum ist der 40. Geburtstag so ein besonderer?
Björn Köcher: Für mich war es ein klarerer Wendepunkt als mit 30 – damals war es noch total entspannt. Man meint immer, man hätte noch so viel Zeit vor sich, aber wenn man dann mal Statistiken bemüht, stellt man fest, dass man mit 40 den Zenit schon überschritten hat und weniger Zeit bleibt, als bereits vergangen ist. Das Gefühl der Endlichkeit ist ein kleiner Schock, doch das Resultat daraus ist positiv: Die Zeit ist jetzt begrenzt, um Dinge zu erleben, Träume zu verwirklichen – also macht man sich mehr Gedanken und lebt bewusster, schiebt nicht alles ständig auf. Dadurch verliert dann auch die Endlichkeit ihren Schreck.
Wie bist du auf die Idee zu „The First 40“ gekommen?
Ich bin grundsätzlich nicht der Typ, der eine große Party schmeißen würde. Durchs Bloggen habe ich mich sehr damit beschäftigt, wie sich die Gesellschaft entwickelt. Ich bin schließlich ein Teil davon, auch ich sorge dafür, dass es ist wie es ist, zum Beispiel in den Punkten Kommerz, Selbstdarstellung, Umweltverschmutzung oder Klassengesellschaft. Ich darf mich nicht nur darüber aufregen, sondern muss auch Verantwortung dafür übernehmen und mein eigenes Verhalten anpassen. Daher die Idee, etwas Gutes zu tun und Geld zu sammeln für Klimaprojekte und Initiativen. Ich habe dann einen Film gesehen, mit einem Amerikaner, der als er 60 geworden ist, 60 Tage gelaufen ist. Er ist einfach zur Haustüre raus und hat sich überraschen lassen, wie weit er kommt, wen er trifft und was passiert. Das hat mich inspiriert. Ich habe in den vergangenen 40 Jahren viele Dinge erlebt, viele Menschen kennengelernt und viel von dem wollte ich gerne wiederholen. Es ist ein bisschen so, wie man es bei seinen eigenen Eltern feststellt. Ich schenke meinen Eltern nichts mehr, sondern verbringe Zeit mit ihnen – sie schätzen das sehr. Es ist schön, miteinander zum Beispiel auf einem Hausboot zu sitzen, und sich so nah zu sein, wie schon lange nicht mehr. Ich freue mich darauf, durch das Projekt Leute wieder zu treffen, die ich lange nicht gesehen habe – und bin gespannt darauf, wie es ist mit ihnen in einem Zelt zu schlafen oder durch Hamburg zu radeln. Auf der Idee liegt übrigens natürlich kein Copyright – ich freue mich über jeden, der sich dadurch für ähnliche Aktionen inspiriert fühlt.
Was ist schön daran, älter zu werden?
Ich nehme Dinge lockerer, über die ich mich früher mehr aufgeregt hätte. Ich beschäftige mich mehr mit Dingen, bin nicht mehr so oberflächlich. Natürlich ist man auch unabhängig, eigenständig und selbstbewusst genug, bestimmte Dinge zu tun, die man sich früher vielleicht mangels finanzieller Sicherheit oder Routine nicht getraut hätte. Eigentlich bin ich auch total begeistert davon, was heutzutage mit 40 noch alles geht – ich hätte mit 20 Jahren nicht gedacht, dass mein Leben heute so ausschaut, egal ob es darum geht, auf Konzerte zu gehen, allein zu verreisen, Sport zu machen.
Es geht dir ja auch um das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit – du spendest das gesammelte Geld Protect Our Winters Austria, bei deinen 40 Aktionen willst du immer den Zug nehmen und nur wenn es nicht anders geht, mit dem Auto fahren. Dennoch ist es schwierig, komplett nachhaltig zu leben. Wie stehst du dazu?
Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich überhaupt Gedanken macht und ein Bewusstsein dafür entwickelt. Natürlich ist die Frage schwer zu beantworten, ab wann man ein gesellschaftlich verantwortlicher und umweltbewusster Mensch ist. Es kann und muss sich nicht jeder vegan ernähren, nur Ökostrom verbrauchen oder alles zu Fuß gehen. Wichtig ist, dass man irgendwo anfängt – die Zahl der Tage im Skigebiet zu reduzieren und mehr Touren zu gehen zum Beispiel. Sich zu fragen, ob man das neue Teil wirklich braucht, bevor man es kauft. Man muss nicht alles umkrempeln. Aber man sollte ehrlich zu sich selbst sagen können: Ich versuche mein Bestes.