So ist es von der absoluten Freiheit zurück in die Realität zu kommen.

Alles hinschmeißen, um die Welt reisen, von einem Tag in den nächsten leben – das ist der Traum von vielen. Doch wie ist es, wenn man nach fünf Jahren in diesem Traum zurück nach Hause kommt? Franzi und Jona von „Tales On Tyres“ mussten feststellen, dass einem dann sogar die Vertrautheit der Heimat fremd vorkommt.

Das gedämpfte Grün umhüllt mich wie eine schützende Schicht. Ich atme tief ein, es riecht feucht, leicht modrig und irgendwie gut. Nur vage kann ich noch die Geräusche der Stadt wahrnehmen. Das dumpfe Rauschen der Straße, das gelegentliche Hupen ungeduldiger Autofahrer, Kirchenglocken. Ich lenke mein Fahrrad entlang des schmalen Wanderwegs durch den Teutoburger Wald. Nach fünf Jahren bin ich das erste Mal wieder zurück in Deutschland, aber Heimatgefühle habe ich nicht. Zu lange war die weite Welt mein Zuhause. Die verwurzelten Wege, das Krächzen der alten Fichten im Wind und das dichte Moos, das den Waldboden bedeckt, sind mir trotzdem so vertraut wie schon lange nichts mehr.

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Fünf Jahre lang habe ich mich gemeinsam mit meinem Freund Jona von einem Abenteuer ins nächste gestürzt. Von einem Land ins Andere. Unvoreingenommen und unglaublich frei. So frei, wie die meisten wohl nur in ihren Träumen sind. Von Neuseeland ging es nach Indien und Nepal, wo wir auf das Fahrrad umstiegen, um vom Iran in die Mongolei zu radeln. Als das Geld alle war, verschlug es uns nach Kanada, dort arbeiteten wir ein bisschen und setzten dann unsere Radreise fort. Diesmal von Alaska nach Chile.

Wir waren nicht gekommen, um zu bleiben

Wir hätten ewig so weiter reisen können, hätten wir es nicht irgendwann in Frage gestellt. Das ewige Suchen, Finden, Weiterziehen, Entdecken, Lieben lernen und wieder Loslassen müssen. Wir waren überall und nirgends Zuhause – in unserem Zelt, auf Wohnzimmerböden und in kleinen Gästezimmern, unter freiem Himmel und in zwielichtigen Hotels. Wo immer wir auch auftauchen waren wir Fremde, wurden oftmals zu Freunden aber blieben immer nur Gäste. Denn es war klar, wir waren nicht gekommen, um zu bleiben.

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Es geschah nicht von heute auf morgen, der Prozess war schleichend und ich weiß nicht mehr genau wann und wie, aber eines Tages saßen wir da und starrten ungläubig auf den Bildschirm unseres Laptops. Wir hatten es getan. Wir hatten zwei Flugtickets nach Deutschland gebucht. Die Stimme unserer Eltern am Telefon schwankte zwischen Unglaube und fast schon hysterischer Vorfreude, als wir ihnen unsere Pläne verkündeten. Und genauso taumelten wir die letzten Wochen durch unserer Reise in Südamerika. Wir stellten uns vor wie es wohl wäre, träumten von dem Gefühl endlich irgendwo „anzukommen“ und schauten trotzdem immer wieder zurück auf All das Erlebte. So ganz ohne Zweifel war diese Entscheidung nicht gefallen.

Auf unserer Reise wussten wir nie was als Nächstes kommt

Das trockene Laub zerbröselt kaum hörbar unter dem Druck meiner Reifen. Es ist das erste „Microadventure“, das Jona und ich gemeinsam unternehmen seit wir wieder zurück sind. Es fühlt sich gut an, aber es ist nicht vergleichbar. Auf unserer Reise wussten wir nie was als Nächstes kommt. Alles was wir taten hatte einen exotischen und aufregenden Beigeschmack. Diese Ungewissheit hat manchmal genervt aber jetzt, wo wir entlang des Hermannswegs durch den Teutoburger Wald fahren, merken wir wie sehr sie uns fehlt. Es ist ein kurzer Ausflug, aber kein Abenteuer. In zwei Tagen werden wir zurückkehren zu einer warmen Dusche, einem gefüllten Kühlschrank und einem weichen Bett.

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Genau diesen zwei Tagen, fragen wir uns, was „ankommen“ eigentlich für uns bedeutet. Was stellten wir uns darunter vor? Wir hatten nicht erwartet dass sich die Heimat nach all dieser Zeit immer noch so vertraut anfühlt und trotzdem genau diese Vertrautheit so fremd. Dass wir uns so sträuben würden uns einzufinde, wo es doch genau das war, wonach wir uns am Ende unserer langen Reise so gesehnt hatten.

Es hat keinen Sinn. Wir verstehen es nicht, unsere Freunde und Familien verstehen es auch nicht. Immer wieder fällt das Wort Geduld. Geduld haben, haben müssen. Mit uns, mit dem was jetzt ist, mit dem was wir wollen, mit dem was kommt. Doch wir sind nicht bereit für diese Probe, weil man nur warten kann, wenn man weiss worauf und das wissen wir nicht.

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Am Abend liegen wir in unseren Schlafsäcken auf der Aussichtsplattform, welche den Anfang oder auch das Ende des Hermannsweg markiert und starren in die Dunkelheit.
Sie ist nicht makellos. In der Ferne sehen wir Lichter flackern und wir hören das dumpfe Brummen einer Fabrik. Wieder ertappen wir uns dabei zu vergleichen, was man nicht vergleichen kann.

Auf der Suche und immer noch auf Reisen

Wir lassen nicht los, weil wir nicht wollen. Unsere Reise ist noch nicht beendet und als wir das so zum ersten Mal laut aussprechen, ist es auf einmal wieder da, dieses vertraute Gefühl. Das Nichtwissen wohin es geht – das Suchen, Finden, Weiterziehen, Entdecken, Lieben lernen und wieder Loslassen müssen. Der Wunsch nach Routine ist verschwunden, vielleicht weil wir ungeduldige Angsthasen sind, vielleicht auch, weil wir es gar nicht mehr anders können. Vielleicht aber auch, weil wir es dann doch nicht wollen. Also, bleiben wir auf der Suche, die Suche nach der Antwort auf die Frage, auf die wir gehofft hatten mit unserer Rückkehr eine Antwort zu finden. Ich muss schmunzeln. wenn ich an das abgegriffene Zitat von J. R. R. Tolkien aus dem Buch „Herr der Ringe“ denke, das heute viele kitschige Postkarte ziert und wahrscheinlich einer der beliebteste Instagram-Bildunterschrift überhaupt ist: Not all who wander are lost. Nicht alle, die umherwandern, sind verloren und irgendwie klingt es für uns, wie ein leiser Trost in diesen Tagen.

Am Sonntagabend stehen wir wieder vor unserer Wohnungstür. Ich fahre mit meiner Hand fast liebevoll über den Sattel meines Fahrrads, bevor ich es in den Keller stelle. Dann drehe ich meinen Schlüssel im Schloss um und trete meine matschigen Schuhe sorgfältig ab. Wir sind wieder da, aber gedanklich schon woanders. Wieder auf der Suche und immer noch auf Reisen.

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talesontyres

2012 haben Franzi und Jona ihre Jobs in Hamburg gekündigt, ihre Besitztümer verkauft und beschlossen, die Welt zu bereisen. Zuerst sind sie 3000 Kilometer durch Neuseeland gewandert. Danach haben sie fünf Monate in Wellington gearbeitet, um sich einen Backpacking-Trip durch Indien und Nepal zu finanzieren. Reisen zu Fuß langweilte sie schnell, deswegen stiegen sie aufs Fahrrad und fuhren vom Iran bis in die Mongolei. Nachdem sie ein Jahr in Vancouver gearbeitet haben, sind sie jetzt wieder auf Straße und radeln durch den amerikanischen Kontinent – zick-zack von oben, bis unten.

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