Vor genau 30 Jahren bekomme ich meine erste selbstaufblasbare Isomatte von Therm-a-Rest. Ein absoluter Game Changer, wie sich herausstellen sollte. Denn sie ist deutlich komfortabler als die damals populärer werdenden Null-Acht-15 Schaumstoff-Isomatten, die zwar leicht aber alles andere als komfortabel sind. Und außerdem ist sie deutlich leichter und kleiner verpackbar als die klassische Luftmatratze, auf der man nicht nur nächtigen, sondern auch Seen oder gar Meere durchqueren kann. Letzteres brauche ich nicht. Was ich jedoch brauche ist eine möglichst leichte und kompakte Isomatte, auf der ich vor allem auch richtig gut schlafen kann und zwar mehrere Tage hintereinander. Denn ich plane mein erstes großes Rad-Abenteuer zusammen mit meinem Schul-Spezl Stadi. Wir wollen in den Pfingstferien Korsika umrunden, alleine, ohne Eltern oder andere weisungsbefugte Aufpasser. Es wird ein großartiges Abenteuer, das uns ein klein wenig erwachsener macht. Trotz oftmals widrigster Umstände schlafe ich immer gut. Und das liegt ganz klar an der komfortablen, neuen Luxusmatte, vielleicht aber auch ein klein wenig an meiner allabendlichen Erschöpfung.
Was mir damals nicht bewusst ist, dass die Marke Therm-a-Rest bereits seit 20 Jahren existiert. Alles beginnt 1971 mit drei Freunden, einer simplen Matte für Gartenarbeit und dem Wunsch nach einer besseren Schlafunterlage. Als erfahrener und begeisterter Bergsteiger weiß John Burroughs, einer der drei Gründer, von den Schwächen der Schaumstoffmatten der frühen 70er und dem Potential für ein neues Produkt. Ein Produkt, das ihm einen deutlich höheren Schlafkomfort bietet und damit mehr Energiereserven für seine ausgiebigen Unternehmungen am Berg.
John ist zu dieser Zeit Ingenieur bei Boeing Aerospace in Seattle. Allerdings steht es nicht gerade gut um den Flugzeugbauer. Dieser muss zwischen 1970 und 1971 rund 50.000 Mitarbeiter entlassen. So auch Johns Ingenieurs-Kollegen und Outdoor-Kumpels Jim Lea und Neil Anderson. Bereits vor der Entlassung philosophieren die drei über die ihrer Meinung nach perfekte Outdoor Schlafmatte, die so jedoch noch nicht existiert. Zu diesem Zeitpunkt gibt es nämlich entweder klassische Luftmatratzen, die weder isoliert noch richtig dicht sind oder einfache Schaumstoffmatten, die sperrig und wenig komfortabel sind, was sich insbesondere während längeren Expeditionen als nervig herausstellt. Also schlägt John seinen Bergkameraden und ehemaligen Boeing-Kollegen ein Projekt vor: Warum entwickeln wir nicht nicht endlich unsere Traum-Isomatte, über die wir schon so lange sprechen? Eine Isomatte, die leichter, kompakter und komfortabler ist und gleichzeitig auch robuster als alles andere, was damals auf dem Markt war. Die Beiden fangen zusammen mit Jons Hilfe an sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Ideen und Konzepte zu entwickeln. Eines Tages geschieht bei der Gartenarbeit der entscheidende Durchbruch. Jim kniet auf einem Schaumstoffkissen und verlagert sein Gewicht als er plötzlich Luft aus dem Inneren der Unterlage entweichen hört. Er schließt daraus, dass man eine wesentlich bequemere, isolierte und kompaktere Schlafunterlage herstellen könnte, wenn man Schaumstoff luftdicht verschließen und die Luftzufuhr und -abfuhr über ein Ventil regulieren könnte. Die Kombination aus Schaum und Luft würde die darauf liegende Person nicht nur vor einem harten, wenig komfortablen Untergrund bewahren, sondern auch gleichzeitig gegen Kälte isolieren. Außerdem würde sich eine komprimierte Matte aufgrund der Rückprall-Tendenz von offenzelligem Schaumstoff selbst aufblähen.
Nach unzähligen Praxistests und Prototypen, den ersten haben sie in einer Sandwich-Presse hergestellt, melden die drei Luft- und Raumfahrt Ingenieure 1972 das Patent auf die innovative Technologie ihrer selbstaufblasbaren Schlafmatte an und gründen die gemeinsame Firma Cascade Designs Inc. Ein Jahr später bringen sie unter dem Namen Therm-a-Rest ihr erstes Produkt, die Therm-a-Rest Standard ¾ auf den Markt und revolutionieren damit das Schlafen draußen in der Natur.
Therm-a-Rest wird schnell zum Synonym für selbstaufblasbare Isomatten, ähnlich wie Tempo für Taschentücher und zur Standardausrüstung für Outdoor- und Bergsport Enthusiasten auf der ganzen Welt. So auch bei mir.
Ab dem Zeitpunkt meiner Korsika Radtour begleitet mich meine Therm-a-Rest Matte auf allen kleinen und großen Abenteuern, egal ob Radreisen in Frankreich und Griechenland, MTB-Roadtrip durch den Westen der USA, Trekking und Bergsteigen in Ecuador oder unzählige Camping-Trips an den Gardasee zum Biken oder die vielen Baggersee-Parties nach dem Abi. Auf sie ist immer Verlass und immer wollen alle mit auf meine Matte, weil sie so schön bequem ist. Sie hat nur ein kleines Manko. Sobald man mit dem Schlafsack auf ihr ruht, und es ist abschüssig, gleitet man wie ein Puck über das Eis von der Matte herunter. Therm-a-Rest erkennt das Problem, steuert mit einer rutschfesten Oberfläche gegen und verbessert dadurch meine User Experience und die vieler anderer Camper deutlich. Auf Kosten meines jüngeren Bruders, dem ich immer wieder heimlich meine Matte unterjuble und dafür seine neue nutze, die bereits mit dem Anti-Rutsch-Feature ausgestattet ist.
Die Motivation den Nutzenden immer das bestmögliche Produkterlebnis zu bieten und dieses fortlaufend zu verbessern, liegt tief in der DNA der Marke verankert und befeuert bis heute das Innovationsstreben des Unternehmens.
So ist es für die Gründer ein nur mehr als logischer Schritt mit der Eröffnung einer eigenen Vertriebsgesellschaft samt Produktionsstätte 1985 in Irland auf die stark wachsende Nachfrage aus Europa zu reagieren. Im Jahr darauf launchen sie die RidgeRest Technologie, bei der die Struktur des Schaumstoffs thermisch verformt ist und der 3D-Form von Gipfeln und Tälern nachempfunden ist. Sie wird die technologische Blaupause für die spätere Erfindung der legendären, Zieharmonika artig faltbaren ZLite Isomatte, die seit über 30 Jahren fester Bestandteil alpiner Expeditionen ist.
1994, seiner Zeit voraus, stellt Therm-a-Rest als erster Hersteller weltweit ein integriertes Isomatte-Schlafsack-System vor. Dieses entwickeln sie über die Jahre stetig weiter und bieten heute 24 verschiedene Schlafmatten sowie 27 Schlafsack und Steppdecken-Modelle an, die das gesamte Spektrum des Draussen Schlafens abdecken, vom komfortablen Auto Camping bis hin zum gewichtsoptimierten Expeditionseinsatz.
Als ich Anfang der 2000er Jahre meine Ausrüstung für einen viermonatigen Bike and Hike Trip durch Neuseeland zusammenstelle, sind Gewicht und Packmaß der Ausrüstung extrem wichtig, da ich alles auf dem Rad transportieren werde, von der kompletten Camping- bis hin zur Wanderausrüstung samt Teleskopstöcke, Rucksack und Bergstiefel. Voll beladen mit Lebensmittel und Wasser wiegt das Set-Up samt Rad über 50 Kilogramm. Schuld daran ist nicht unbedingt die ganze Outdoorausrüstung. Denn ich leiste mir damals nicht nur die revolutionäre Therm-A-Rest ProLite Matte, die nur noch halb soviel wiegt wie meine alte und auch nur halb so viel Packvolumen in Anspruch nimmt, sondern auch einen leichten Schlafsack und ein für damalige Verhältnisse leichtes Zelt. Das Genick bricht mir vielmehr die umfangreiche Campingküche mit allerlei Gewürzen, Nutella-, Marmeladen-Glas & C.o, die ich während den vier Monaten über 5.000 Kilometer quer über die Nord- und Südinsel spazieren fahre. Leicht und schnelles Bikepacking sieht definitiv anders aus.
Bereits 2005 setzt sich Therm-a-Rest mit dem Thema Nachhaltigkeit und ressourcenschonendem Materialeinsatz auseinander und nutzt die ausgestanzten Schaumstoffteile der neuen ProLite Matte als Füllmaterial für die neu entwickelten, komprimierbaren Kopfkissen. Heute würde man das Upcycling nennen. Therm-a-Rest versucht mehr denn je diesen Upcycling Gedanken in der gesamten Supply Chain zu verankern, um sukzessive den ökologischen Fußabdruck zu verringern. So verwenden sie beispielsweise für ihre Schlafsäcke und Steppdecken mehr und mehr recyceltes Ripstop Nylon, das nach dem Global Recycle Standard (GRS) zertifiziert ist. Dadurch garantieren sie Transparenz und eine hohe Produktqualität. Diese hohe Produktqualität sorgt in Verbindung mit Austauschteilen und Reparatur-Sets dafür, dass Therm-a-Rest Produkte Jahrzehnte lang im Einsatz sind und allein dadurch schon einen deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck hinterlassen als viele andere Produkte, die von minderer Qualität sind und nur eine kurze Lebensdauer haben, bevor sind dann auf irgendeiner Müllhalde landen.
Mit der Präsentation des ersten NeoAir Modells im Jahr 2009 revolutioniert Therm-a-Rest einmal mehr den kompletten Isomatten Markt und setzt den Benchmark für ultraleichte Schlafmatten bei minimalem Packmaß und hohem Schlafkomfort. Die NeoAir ist vollständig luftgefüllt, superkompakt und benötigt keine zusätzliche Isolierung. Sie baut auf einer neu entwickelten Innenstruktur auf, die einen stabilen Loft von fünf Zentimeter und damit viel Wärme bietet. Darüber hinaus wird das einfache, reparierbare Ventilsystem beibehalten, das keine Pumpe zum Aufpumpen benötigt. In der Bikepacking und Ultralight Szene erfreut sich dieses Modell schnell großer Beliebtheit. Mittlerweile besteht die NeoAir Familie aus acht unterschiedlichen Modellen.
Wie bei der Einführung der rutschfesten Oberfläche sind es nicht nur die großen, Produktinnovationen, die Therm-a-Rest ausmachen, sondern auch die vermeintlich kleinen technologischen Entwicklungen wie die 2020 eingeführten WingLock und TwinLock Ventile. Diese sorgen für ein noch einfacheres und schnelleres Aufblasen und Luftablassen. Dadurch lässt sich zum Beispiel die zehn Zentimeter dicke Luxus Matte Mondo King, so etwas wie das Boxspringbett für Camper, fünf Mal schneller aufblasen.
Apropos Mondo King. Ich habe die Luxusmatte kürzlich bei einem Event Probe gekuschelt und innerhalb von Sekunden war mir klar, dieses Luxus Biest brauche ich unbedingt. Schließlich bin ich jetzt in einem Alter, in dem Mann es gerne etwas komfortabler hat. Auch wenn ich jetzt schon weiß, dass der Kampf um das mobile Outdoor Boxspringbett hart werden wird. Denn in der Hinsicht ist meine Family gnadenlos. Bis heute schlafe ich auf meiner asketischen 3,8 Zentimeter dünnen, ausgestanzten Therm-a-Rest ProLite Matte, obwohl ich mir schon vor Jahren eine doppelt so dicke Basecamp fürs Auto Camping gegönnt habe. Nur, auf die Matte habe ich es beim Zelten noch nie wirklich geschafft, zumindest nicht lange, denn sie wird mir jedes Mal von den Kids streitig gemacht. Kaum sind sie abends im Zelt verschwunden wird sie mir im wahren Wortsinne unter dem Rücken weggeklaut und ich ende wieder auf meiner dünnen ProLite.
Fotos: @Therm-a-Rest und Christian Wander