Als mir die ersten Sonnenstrahlen ins Gesicht fallen wache ich auf und reibe mir den Schlaf aus den Augen. Das Thermometer zeigt hier auf 2.300 Metern minus fünfzehn Grad an und die Luftfeuchtigkeit hat über Nacht wunderschöne Kristalle als Oberflächenreif aufgebaut. Nicht so schön ist, dass sich diese Kristalle wirklich überall befinden: Schlafsack, Skistiefel, meine Mütze, alles ist weiß und steif gefroren. Gut, dass sich meine Innenschuhe im Schlafsack befinden...
Biwakieren im Schnee ist nichts für Warmduscher
Zugegebenermaßen hätte man bei der Planung angesichts der vorhergesagten Temperaturen im zweistelligen Minusbereich auch einfach einen Winterraum als Ziel auswählen können und nicht irgendeinen Sattel auf 2.300 Metern über dem Meeresspiegel. Andererseits wären wir dann mit großer Wahrscheinlichkeit im Wolkenmeer und nicht darüber aufgewacht.
Während sich der Warmduscher im Tal nochmal im Bett umdreht, verlasse ich den warmen Daunenschlafsack und kram meine Kamera aus dem Rucksack, um die gewaltige Stimmung einzufangen. Dass sich meine Kamera überhaupt noch einschalten lässt, liegt daran, dass ich den Akku über Nacht in den Schlafsack gepackt hatte, genauso wie meine Stirnlampe, Handy, meine Wasserflasche, meine Innenschuhe und die Isolationskleidung.
Keine Kompromisse beim Schlafsack!
Winterbiwak Hack #1
Alles was am nächsten Tag noch halbwegs warm sein soll oder muss, gehört in den Schlafsack und daher ist es wichtig beim Kauf darauf zu achten, dass der Schlafsack nicht zu knapp bemessen ist. Kauft ihn ruhig eine Nummer größer!
Meine Lagernachbarin flucht irgendwas von „Das ist definitiv mein letztes Winterbiwak! Auf keinen Fall wieder!“, als sie versucht in die steif gefrorenen Skistiefel zu steigen. Innenschuhe und Außenschale sind komplett vereist und wollen auch in der nächsten Stunde nicht auftauen. Vielleicht hätte ich ihr schon am Vorabend folgenden Rat geben sollen...
Winterbiwak Hack #2
Deckt Eure Schuhe mit der Hardshell-Jacke, dem Regenschutz vom Rucksack oder irgendwas anderem ab, damit sich im Schuh keine Feuchtigkeit niederschlägt. Gilt übrigens auch im Sommer…
Doch nicht nur so mancher Schuh ist steifgefroren, einige meiner Mitstreiter klagen über eiskalte Finger, einen viel zu kalten Schlafsack und den unangenehmen Umstand die ganze Nacht kein Auge zugemacht zu haben.
Winterbiwak Hack #3
In Sachen Wärmeleistung solltet ihr beim Schlafsack und der Isomatte wirklich keine Kompromisse eingehen, das rächt sich sofort und wird im schlimmsten Fall mit gefährlichen Erfrierungen bestraft. Doch auch mit dem perfekten Equipment gibt es ein paar Kniffe, die den Komfort fast auf Winterraum Niveau heben: Erstens, schlaft am besten in Funktionswäsche um die körpereigen Feuchtigkeit loszuwerden. Zweitens, Mütze aufsetzen und die Kapuze vom Schlafsack richtig schön zuziehen, sodass nur noch wenig vom Gesicht frei liegt und die Wärme nicht über den Kopf verloren geht.
Schnaps im Biwak ist eine Schnapsidee
Eigentlich hätte doch zumindest der Schnaps und die Nudelsuppe samt Tortellini am Vorabend für einen tiefen Schlaf sorgen müssen, oder? Nicht ganz...
Winterbiwak Hack # 4
Schnaps ist fein, aber trinkt ihn lieber daheim! Die wärmende Wirkung von Alkohol ist leider ein kurzes Vergnügen, danach kühlt der Körper stärker aus. Viel besser sind ein heißer Tee und eine warme Mahlzeit. Es muss ja nicht unbedingt teure gefriergetrocknete Expeditionsnahrung sein – Tütensuppen gehen genauso! Mein Geheimtipp: Tortellini aus dem Kühlregal müssen meist nur zwei Minuten in heißem Wasser ziehen und ihr verbraucht somit viel weniger Gas als normale Nudeln.
Gas – ein heißes Thema
Beim Thema Gas, drängen sich unweigerlich fürchterliche Erinnerungen in mein Gedächtnis: Gaskartuschen, die nach wenigen Minuten Betriebszeit mehr Eis angesetzt haben als der zum Ziel erkorenen Eisfall, stundenlanges Warten auf kochendes Wasser und Nudeln, die aus lauter Verzweiflung ins lauwarme Wasser geworfen werden. Keine Frage, Gas ist ein super Brennstoff, aber im Winter überschattet der enorme Druckabfall in der Kartusche, die Vorteile von Geruchlosigkeit, Kompaktheit und einfacher Bedienung.
Winterbiwak Hack #5
Vor allem auf langen Touren und bei hohem Kochaufwand empfiehlt es sich auf Benzin-Kocher zu setzen. Alternativ wählt man spezielles Wintergas. Außerdem würde ich immer einen Sturmkocher mit gut geschützter Flamme wählen oder zumindest einen guten Windschutz einpacken oder in den Schnee schaufeln.
Apropos heißes Wasser…
Winterbiwak Hack #6
Das heiße Nudelwasser oder der aufgekochte Tee, abgefüllt in einer Kunststoffflasche, eignet sich hervorragend als Wärmflasche im Schlafsack. Nur verlässlich dicht sollte die Flasche sein...
Bei der Wahl des Biwakplatzes: safety first!
Nach einem spartanischen Frühstück, bestehend aus ein paar Nüssen und harter Schokolade, machen wir uns auf den Weg zum nahen Gipfel und blicken auf unser Lager der vergangen Nacht zurück. Dieses Mal hatten wir auf den Bau einer Schneehöhle verzichtet und lediglich ein großes Loch ausgehoben und in der Mitte einen Kältegraben gezogen.
Vielleicht nehmen wir das nächste Mal auch einfach wieder ein Zelt mit und genießen das Gefühl ein Dach über dem Kopf zu haben. Eines haben Zelt, Schneehöhle und Biwakplatz mit der bevorstehenden Abfahrt im knietiefen Powder gemeinsam – man sollte sich der äußerst realen Gefahren bewusst sein.
Winterbiwak Hack #7
Achtet auf einen sicheren Biwakplatz! Gerade im Winter stellen Lawinengefahr und Eisschlag nicht zu unterschätzende Risiken dar, die unbedingt minimiert werden müssen. Am besten wählt ihr einen Sattel, eine Scharte, sichere Vorsprünge oder eine flache Stelle, die ausreichend weit von steilen Hängen entfernt ist.
Unsere Gruppe trennt jetzt nur noch ein traumhafter Freeride-Hang von der warmen Gaststube im Tal, doch bei so grandiosen Verhältnissen entscheiden wir uns einfach nochmals aufzusteigen. Wärmt ja auch und da um diese Uhrzeit noch kein anderer Tourengeher aus dem Tal aufgestiegen ist, haben wir das Privileg die ersten Spuren in den Schnee zu ziehen.